Verfahren gegen Microsoft

Ein US-Bundesrichter hat die Aufgabe, die Spielregeln der Softwarebranche für die nächsten Jahre festzulegen. Doch Bill Gates hat schon neue Pläne  ■ Aus Washington Peter Tautfest

Heute beginnt er, der Prozeß gegen den großen Bösen: Die USA gegen Softwarekrösus Bill Gates im größten Kartellverfahren der letzten Jahre. Microsoft wird vorgeworfen, den Internet-Konkurrenten Netscape mit Hilfe seiner Vormacht bei PC-Software aus dem Markt zu drängen. Durch diesen Prozeß werden nach Ansicht von Beobachtern die Regeln für die High-Tech-Branche in den nächsten Jahren festgelegt: Wie heftig greift die US-Regierung ein, wenn ein Unternehmen ein Quasi- Monopol zu erreichen droht. Wie stark Microsoft ist, hat eindrucksvoll der Economist berechnet: Der Nettogewinn des Riesen aus Redmond bei Seattle ist 1998 höher als derjenige der nächstgrößten 49 Konkurrenten zusammen.

Die schärfste Konkurrenz von Microsoft sitzt im Silicon Valley – Firmen wie Apple, Netscape, Sun Microsystems und Oracle. Hier führte unlängst die Gruppe NetAction, die sich dem Kampf gegen Microsofts Allmacht verschrieben hat, eine Untersuchung durch und fand heraus: In den Computerläden selbst dieser Gegend sind 100 Prozent der sogenannten IBM- kompatiblen Rechner mit dem Windows-Betriebssystem ausgestattet. Mag es auch ein paar Dutzend Computerhersteller geben, hat man deren Kisten erst angeknipst, schwinden alle Unterschiede und es herrscht die Uniformität des gleichen Betriebssystems – Microsoft Windows.

Liegt die marktbeherrschende Stellung von Windows an der Qualität des Betriebssystems oder an erpresserischer Marktdurchdringung? Kommt der Windows- Standard einem Monopol gleich, der jede Konkurrenz im Bereich der Softwareherstellung überhaupt erstickt? Darüber ist ein heftiger Streit in der Öffentlichkeit entbrannt, und ab heute soll er von Bundesrichter Thomas Penfield Jackson entschieden werden.

Amerikas Wirtschaftsgeschichte ist gleichermaßen die Story vom Aufstieg riesiger Industrieimperien und die von ausgedehnten kartellrechtlichen Verfahren gegen sie. Am 1890 verabschiedeten Sherman Act, der Preis- und Angebotsabsprachen ebenso verbietet wie Marktaufteilung und „Behinderung des freien Handels“, zerbrachen Stahl- und Eisenbahntrusts, Rockefellers Standard Oil, die Bell Telefongesellschaft oder Pan Am. Ist jetzt Microsoft dran?

Was vor dem Bundesgericht verhandelt wird, sieht auf den ersten Blick aus wie der Kampf zweier Softwarehersteller – Netscape und Microsoft – um die Vorherrschaft auf dem Markt für jene Software, die Inhalte im Internet zugänglich macht. In Wirklichkeit aber geht der Streit viel tiefer. Bei der sogenannten Browser-Software, geht es um die Beherrschung des Internetbereichs World Wide Web (WWW), in dem Menschen persönlich, sozial und wirtschaftlich miteinander verkehren.

Bill Gates baute die Stellung seines Betriebssystems durch zwei Strategien aus, die bis heute seine Vermarktung bestimmen: Jedem Computerhersteller, der sein System benutzen wollte, verlangte er eine Lizenzgebühr für jeden hergestellten Computer ab, unabhängig davon, ob der Kunde am Ende MS-DOS würde haben wollen oder nicht, was natürlich dazu führte, daß der Hersteller MS- DOS installierte – wo er das System ja schon bezahlt hatte –, und wenige Kunden machten sich die Mühe, es gegen ein anderes zu tauschen. Gates verband damit seine Weichware aufs innigste mit der Hardware für Personal Computer.

Bill Gates machte außerdem den Programmcode seines Betriebssystems nur Softwareherstellern seiner Wahl vollständig zugänglich. Unliebsame Konkurrenten konnte Bill Gates so aus dem Felde schlagen. Microsofts Anteil an Textverarbeitungssoftware z. B. stieg von einem Drittel im Jahre 1995 auf über 80 Prozent im Jahre 1997. Heute arbeiten 87 Prozent der 2,4 Millionen Softwarehersteller für die Windows-Plattform. Schon diese Praktiken führten 1990 zu einem ersten, 1994 abgeschlossenen, Kartellverfahren.

Doch Gates konnte ungehindert die alten Taktiken auch bei Browsern anwenden. Die vier größten privaten Anbieter von Internetzugängen – AOL, MCI, Microsoft selbst und CompuServe – vergeben beispielsweise nach Absprachen mit Microsoft an ihre 20 Millionen Kunden den „Internet Explorer“, nicht den „Navigator“ des Konkurrenten Netscape.

Während der Jahre, in denen der Kartellprozeß seinen Weg durch die Instanzen nehmen wird, bleibt Microsoft natürlich nicht untätig. Letzte Woche wurde über das Wall Street Journal schon die nächste Stufe der Gatesschen Taktik bekannt: die Einführung von „Windows tone“ oder „Wintone“: Gegen eine monatliche Gebühr aktualisiert Microsoft jedem Kunden die Software, sichert Daten auf einem konzerneigenen Computer und repariert Softwarefehler aus der Ferne. Damit hätte die Marketingabteilung der Firma Zugriff zu einem unerschöpflichen Reservoir an Kundendaten – fürchten Kritiker, die nicht an den Datenschutz innerhalb eines Unternehmens glauben.