Verkehrsberuhigung wird billiger

Rot-Grün zum Verkehr: Kein Tempolimit auf den Autobahnen, dafür haben es die Gemeinden leichter, Tempo 30 einzuführen. Strengere Strafen für Trunkenheit. Transrapid kommt wahrscheinlich nicht  ■ Von Matthias Urbach

Berlin (taz) – Mehr Tempo-30- Zonen in den Städten, Führerscheinentzug ab 0,5 Promille Alkohol im Blut, das wahrscheinliche Aus des Transrapid (siehe Kasten) und eine Revision des gesamten Bundesverkehrswegeplanes: Das sind die Höhepunkte der rot-grünen Koalitionsvereinbarungen zum Verkehr.

Auch die grüne Unterhändlerin Bärbel Höhn war am Ende zufrieden, trotz des Fehlens so prominenter grüner Forderungen wie ein Tempolimit auf Autobahnen. „Der entscheidende Punkt war für uns, daß wir in den Städten Bewegung bekommen.“ Dort sichere Tempo 30 die Lebensqualität in den Straßen und die Gesundheit vor allem von alten Menschen und Kindern, sagte Höhn am Samstag bei der Vorstellung des Ergebnisses. Auf den Autobahnen werde eine Harmonisierung der EU-Vorschriften ohnehin bald zu einem Tempolimit führen.

In der Koalitionsvereinbarung steht lediglich, die Einführung von Tempo 30 solle sich am Modell des Deutschen Städtetages „orientieren“. Das Modell sieht vor: Grundsätzlich gilt Tempo 30, also alle Schilder würden abgeschraubt und dafür Tempo-50-Schilder aufgestellt, wo noch immer schneller gefahren werden darf, nämlich auf Hauptverkehrsstraßen – salopp gesagt all jenen Strecken, die im Stadtplan gelb (hervorgehoben) eingezeichnet sind. Auf rot-grüner Fachebene hatte man sich bereits darauf geeinigt, dieses Modell „einzuführen“. Doch auf Ebene der großen Koalitionsrunde wurde der Text aufgeweicht: Nun soll sich die Änderung der Straßenverkehrsordnung nur noch orientieren an dem Modell des Städtetages, was eine kleine Niederlage für die Grünen ist.

In der Praxis wird es wohl darauf hinauslaufen, daß es für die Gemeinden billiger gemacht wird, Tempo 30 auszuweisen. Bisher schreibt die Straßenverkehrsordnung nämlich teure Umbauten wie Aufpflasterungen, Schwellen und künstliche Verkehrsinseln am Eingang von Tempo-30-Zonen vor. Das macht die anwohnerfreundliche Regelung bisher für viele Gemeinden zu einer unbezahlbaren Angelegenheit: Für einen verkehrsberuhigten Stadtteil kommen da schnell 10 Millionen Mark zusammen. Städte wie Gelsenkirchen, Frankfurt oder Oberhausen konnten in der Vergangenheit nur ein Viertel bis zur Hälfte der gewünschten Verkehrsberuhigungen umsetzen, weil es schlicht zu teuer war.

Auch die von den Grünen gewünschte Erweiterung der normalen Mineralölsteuer auf das Kerosin (Flugbenzin), wird es nicht geben. SPD-Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering – der wahrscheinlich künftig Bundesverkehrsminister wird – kündigte aber an, das Thema auf „europäischer Ebene diskutieren“ zu wollen.

Die künftigen Koalitionspartner wollen außerdem jede geplante Bundesstraße, Autobahn und Schienenstrecke noch einmal überprüfen: Wird der Verkehr wirklich so zunehmen wie prognostiziert, sind die Trassen wirklich zu dem veranschlagten Preis zu bauen, und stehen sie auch wirklich nicht im Gegensatz zu EU- Richtlinien? so die Prüfkriterien. Viele Pläne stammen aus den Achtzigern. „Da wird einiges durchs Sieb fallen“, sagt der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Albert Schmidt. „Es wird sich dann zeigen, wie wenig seriöse Substanz der alte Verkehrswegeplan hat.“

Ebenfalls überprüft werden soll laut Vereinbarung die ICE Neubautrasse Erfurt–Nürnberg und möglicherweise aufgegeben werden zugunsten zweier Ost-West- Trassen für normale Intercitys.

Schließlich vereinbarten Rot und Grün noch „Maßnahmen zur Sicherstellung eines diskriminierungsfreien Wettbewerbs“ bei der Bahn. Bislang hält sich die Deutsche Bahn ihre private Konkurrenz noch durch hohe Gebühren für die Schienennutzung vom Leib.