„Das wird kein Honeymoon werden“

■ Für Renate Künast, Mitglied der grünen Verhandlungsdelegation, sind die Absprachen über Justiz und Inneres unter dem Strich ein Erfolg, wenn auch ein magerer. Es sei klar gewesen, daß sich die SPD bei der inneren Sicherheit nicht sonderlich bewege werde

taz: Frau Künast, trügt der Eindruck, oder haben sich die Bündnisgrünen beim Thema innere Sicherheit von der SPD über den Tisch ziehen lassen?

Renate Künast:Nein. Richtig ist, daß die SPD in den Verhandlungen nicht mehr zu ihren eigenen parlamentarischen Vorschlägen stand. Sie will offenbar die Lufthoheit über den Stammtischen.

Wo konkret?

Unser Vorschlag, etwa bei den Bagatelldelikten den Täter-Opfer- Ausgleich in den Mittelpunkt zu stellen, wurde abgelehnt. Die SPD wollte weder die Entkriminalisierung solcher Delikte noch die Herabstufung auf Ordungswidrigkeiten und versteckte sich hinter dem Begriff, man wolle „bürokratiearm“ bestrafen.

Werden jetzt auch die in den 70er Jahren unter der sozialliberalen Bundesregierung zustande gebrachten Gesetze zur Bekämpfung des Terrorismus abgeschafft?

Leider hat die SPD sich nicht dazu bewegen lassen, sich in diesem Bereich konkret und öffentlich festzulegen. Bei der Kronzeugenregelung, dem Kontaktsperregesetz wird es Aktivitäten geben. In Zusammenarbeit mit dem Generalbundesanwalt und dem Bundeskriminalamt werden diese Gesetze überprüft.

Im Grünen-Programm wird als Maximalforderung die Abschaffung der Geheimdienste genannt, als Minimum eine stärkere Kontrolle. Was wurde vereinbart?

Es wird eine Verbesserung der Kontrolle der Geheimdienste geben, in dem das Gremium, die Parlamentarische Kontrollkommission des Bundestages, mit mehr Kontrollrechten versehen wird. Nicht durchsetzen konnten wir unsere Forderung, daß nur noch gewaltbereite Bestrebungen und nicht jede geistige Verirrung beobachtet werden sollen.

Wie werden die neuen Rechte der PKK aussehen?

Es wird das Recht auf Aktenvorlage geben, auch das Recht jeder Fraktion, dort ein Mitglied zu entsenden.

In den die USA gibt es den Freedom of Information Act, der den Bürgern weitgehenden Einblick in Akten des Staates gewährt? Davon war nach den Koalitionsverhandlungen wenig zu hören.

Bei der Stärkung der Bürgerrechte haben wir Grüne uns stets auf drei Säulen gesetzt: die Verbandsklage, das Akteneinsichtsrecht und die Volksentscheide. Wir haben nun erreicht, daß es im Sinne des „Freedom of Information Act“ ein Gesetz zur Akteneinsicht geben soll, auch für Bürgerrechtsinitiativen. Sie können dann etwa an Daten aus demn Umweltbereich heran. Bei der Verbandsklage steht hingegen immer noch das Grundgesetz dagegen. Da müssen wir ran – aber dafür brauchen wir die Mehrheiten.

Wird es die Akteneinsicht bei den Geheimdiensten geben?

Solche Gesetze haben immer eine Sperre, da, wo es um delikate Regelungen geht und Rechte Dritter beinträchtigt werden können. Der Kern unseres Informationsfreiheitsgesetzes ist, daß der Bürger Basisdaten erfährt. Der engere Bereich der Sicherheitsdaten und persönlichen Daten wird am Ende in solch einem Gesetz sicherlich gesperrt sein. Trotzdem: Dieses Gesetz wird eine große Hilfe sein, nicht nur die Verwaltungen transparenter zu machen, sondern den Bürgern auch eine größere Mitsprachemöglichkeit zu geben.

Können Sie persönlich mit den verhandlungsergebnissen zufrieden sein?

Uns war klar, daß die SPD sich bei der inneren Sicherheit kaum bewegen würde. Auch wenn wir da zurückstecken mußten, so haben wir bei den Verhandlungen zur inneren Sicherheit, Justiz und Ausländerrecht in drei Punkten konkrete Fortschritte erzielt: Das Staatsangehörigkeitsrecht wird reformiert, in der Drogenpolitik wird es die kontrollierte Heroinabgabe geben, schwule und lesbische Paare können sich eintragen lassen. Für solche Punkte, die die Gesellschaft strukturell verändern werden, hat es sich gelohnt zu kämpfen.

Der Koalitionsvertrag ist das eine, die Umsetzung in Gesetze das andere.

Bei der Innenpolitik laufen unsere Wege nicht immer parallel. Der Koalitionsvertrag sieht vor, daß Einzelinitiativen nicht erlaubt sind. Insofern werden wir uns gegenseitig mit auf die Reise nehmen müssen. Das ist aber kein Honeymoon. Interview: Severin Weiland