Staatsrat wegen Schwarzarbeit unter Beschuß

■ Opposition fordert Rücktritt von Staatsrat Niederbremer, weil er Polen beschäftigte

Selten waren sich die Fraktionen in der Bürgerschaft so einig, wie bei der Debatte über Schwarzarbeit im Juni. „Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung schädigen die Volkswirtschaft“, empörte sich Wolfgang Jägers (SPD). „Das erinnert mich an Frühkapitalismus bis fast in die Sklaverei“, wetterte Klaus Möhle (Grüne). Schwarzarbeit sei „kein Kavaliersdelikt“, betonte Rolf Reimers (AfB). „Viele mögen es schwarz“ schimpfte Brigitte Dreyer (CDU). „Ob bei Renovierung, Umzug und Gartenpflege oder beim Hausbau, immer gilt das gleiche Prinzip, schwarz und bar auf die Hand. Dieses Verhalten gefährdet die Solidargemeinschaft. Ich finde dieses Verhalten schlicht einen Skandal.“

Jetzt muß CDU-Staatsrat Günter Niederbremer eine Geldbuße von 5.000 Mark zahlen, weil er zwei Männer aus Polen illegal beschäftigt hat. AfB und Grüne haben Niederbremers Rücktritt gefordert. Die Männer aus Polen wurden von einem Fahnder des Arbeitsamtes erwischt, als sie die Fassade von Niederbremers Wochenendhauses in Denstorf (Gemeinde Vechelde) sanierten. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat „von der Erhebung der öffentlichen Klage abgesehen“ und das Verfahren wegen Beihilfe zum Verstoß gegen das Ausländergesetz gestern eingestellt, weil Niederbremer sich bereit erklärt hat, die Geldbuße zu zahlen. Daß die Männer an seinem Haus gearbeitet haben, bestreitet er nicht. Die Polen hätten ihm einen „Freundschaftsdienst“ erwiesen und „nur mal so mit angefaßt – Peanuts“, verteidigt sich der Staatsrat. Etwa 70 Mark pro Handwerkerstunde hätte er nach Angaben der Handwerkskammer für die Sanierung seiner Fassade zahlen müssen.

Juristisch gesehen mache es keinen Unterschied, ob die Arbeiter bezahlt worden seien oder nicht, sagt Oberstaatsanwalt Eckehard Niestroj. „Das waren Ausländer, die hier nicht arbeiten durften. Das ist als Schutz für deutsche Arbeitnehmer gedacht, denen sonst die Arbeit weggenommen wird.“

3.831 Fälle von Schwarzarbeit hatten Fahnder im ersten halben Jahr in Bremen aufgeklärt. Der Schaden belief sich auf rund 7,25 Millionen Mark. CDU und SPD hatten den Senat im Juni deshalb aufgefordert, ein umfassendes Konzept zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung zu erarbeiten.

Darüber, daß Schwarzarbeit kein Kavaliersdelikt sei, waren sich die Fraktionen auch gestern noch einig. „Das ist ein Skandal“, schimpfte Klaus Möhle (Grüne). „Was hat das denn für Vorbild-Charakter, wenn die Politik schwarz arbeiten läßt. Wie will man einem kleinen Handwerksmeister dann noch erklären, daß das nicht in Ordnung ist.“ „Lassen Sie es mich mit einem Kraftwort ausdrücken“, wetterte Rolf Reimers (AFB). „Das ist ein Riesen-Skandal.“ Wer solche Verstöße als „Peanuts“ bezeichne, sei nicht mehr tragbar. „Sollte sich das bisher Bekannte bewahrheiten, dann müßte Niederbremer sehr wohl über Konsequenzen nachdenken, um sein Amt und seine Partei nicht zu belasten“, erklärte auch JU-Chef Andreas Windler. „Das ist jetzt eine Sache der CDU, die muß reagieren“, forderte Peter Sörgel, der den Antrag für die SPD unterschrieben hatte.

Die CDU hielt sich gestern allerdings bedeckt. „Kein Kommentar“, sagte Brigitte Dreyer. „Ich will erst das Verfahren abwarten.“ Uwe Siefert: „Ich stehe zu unserem Antrag. Er gilt natürlich für alle – für CDU-Mitglieder und für Lieschen Müller. Aber ich will erstmal Herrn Niederbremer hören.“ Auch Arbeitssenator Uwe Beckmeyer wählte seine Worte mit Bedacht. „Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung sind kein Kavaliersdelikt... Eine seriöse Bewertung der Vorgänge ist erst nach Abschluß des laufenden Ermittlungsverfahrens möglich.“ Beckmeyers Debattenbeitrag im Juni: „Es ist ja bemerkswert, daß nicht einmal mehr zehn Prozent der Deutschen etwas gegen illegale Arbeit einzuwenden haben. Das ist natürlich ein Alarmzeichen. Es wird einfach akzeptiert, und man macht es ab und zu auch einmal selbst... Da muß man auch als verantwortlicher Politiker, da müssen auch die gesellschaftlichen Kräfte gegenhalten.“

Unterdessen erklärte Niederbremer, daß er nicht daran denke zurückzutreten. „Wenn die Opposition nichts besseres zu tun hat“, kommentierte er die Forderungen. Schwarzarbeit sei „natürlich schlimm“, so Niederbremer. „Aber mit Schwarzarbeit hatte das nichts zu tun.“ Kerstin Schneider