Noch kein Frieden in Maryland

■ Ein Granatanschlag im südisraelischen Beerscheba überschattet die Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern in den USA

Jerusalem (taz) – Bei einem Anschlag in der südisraelischen Stadt Beerscheba sind gestern morgen mindestens 51 Menschen verletzt worden, zwei davon schwer. Nach Angaben der israelischen Polizei warf ein Palästinenser zwei Handgranaten in eine Menschenmenge auf dem Busbahnhof. Der Täter wurde von Passanten überwältigt und der Polizei übergeben. Obwohl der Anschlag Hamas zugeschrieben wird, hat die islamische Palästinenserorganisation bislang keine Verantwortung für das Attentat übernommen.

Der Anschlag überschattet die israelisch-palästinensischen Verhandlungen im US-Bundesstaat Maryland. Auch nach viertägigen Diskussionen und der Beteiligung von US-Präsident Bill Clinton konnte noch kein Abkommen über den nächsten israelischen Teilrückzug aus dem Westjordanland erzielt werden. Zwar ist der Umfang des Teilrückzugs in Höhe von 13 Prozent nicht mehr strittig, doch verhindern israelische Forderungen nach Sicherheitsgarantien eine Einigung.

Palästinenserpräsident Jassir Arafat verlangt nach Angaben des Fernsehsenders CNN die Einrichtung eines Komitees des US-Geheimdienstes CIA, das den „Kampf gegen den Terror“ überwachen soll. Nach diesen Berichten ist die palästinensische Seite auch bereit, Israelis und US-Amerikanern die Namen von flüchtigen Hamas-Leuten mitzuteilen. Arafat ist allerdings nicht bereit, verurteilte Hamas-Attentäter an Israel zu überstellen. Die Palästinenser verlangen überdies die Freilassung der noch rund 3.500 politischen Gefangenen, die in israelischen Gefängnissen einsitzen. Israels Regierung fordert ihrerseits die erneute Annullierung der palästinensischen Charta, die Reduzierung der palästinensischen Polizeikräfte von 36.000 auf 24.000 Mann und die Beschlagnahme illegaler Waffen. Die palästinensische Seite kontert mit der Forderung, die Waffen der Siedler zu beschlagnahmen.

Besonders umstritten ist auch die Frage des dritten Teilrückzugs, wie er im Hebron-Abkommen vom Januar 1997 vereinbart wurde. Während Netanjahu einen einprozentigen dritten Teilrückzug anbietet und diesen auch fest vereinbart wissen will, wollen die Palästinenser dieses Thema aussetzen. Sie verlangen einen mindestens zehnprozentigen dritten Teilrückzug. Würde ein solches Interimsabkommen zustande kommen, verfügten die Palästinenser über knapp 50 Prozent des Westjordanlandes. Bislang üben sie erst über gut drei Prozent die volle Kontrolle aus. Doch ist vorgesehen, daß 14 Prozent der Zone B, die unter israelischer Sicherheitskontrolle steht, beim zweiten Teilrückzug in Zone A unter völliger palästinensischer Kontrolle verwandelt werden. Die Regierung Netanjahu will aber unter allen Umständen verhindern, daß die Palästinenser bei Aufnahme der Abschlußverhandlungen über mehr als 40 Prozent des Westjordanlandes verfügen.

Der Erfolg der Verhandlungen wird eben dadurch erschwert, daß jedes Detail für beide Seiten von vorentscheidender Bedeutung ist. Ohne daß alle Details geklärt sind, ist deshalb keine Seite bereit, ein Abkommen zu unterzeichnen. Gleichwohl stehen Israelis wie Palästinenser unter erheblichem Druck der US-Regierung, die sogar finanzielle Zusagen gemacht hat, um ein Abkommen zustande zu bringen. Georg Baltissen