Soldaten revoltieren in Georgien

Anhänger von Ex-Präsident Gamsachurdia erbeuten Militärfahrzeuge und blockieren Hauptstraßen. Streitkräfte in Alarmbereitschaft versetzt. Ölkonsortium kündigt Einstellung der Arbeiten an Pipeline an  ■ Von Klaus-Helge Donath

Moskau (taz) – An die zweihundert bewaffnete Rebellen haben gestern im Westteil der Kaukasusrepublik Georgien zehn Panzer und mehrere Militärfahrzeuge in ihre Gewalt gebracht. Die meuternden Soldaten, die sich als Gegner von Präsident Eduard Schewardnadse zu verstehen gaben, blockierten auch die Hauptverkehrsadern in der Nähe der Ortschaft Senaki, die zum Schwarzmeerhafen Poti führen. Als Rädelsführer der Meuterer nannten georgische Behörden Akaki Eliawa, der in dem notorisch unruhigen Kaukasusstaat seit langem kein unbeschriebenes Blatt mehr ist.

Eliawa gehört zu den Anhängern des 1993 mit Waffengewalt aus dem Amt vertriebenen ersten Präsidenten des unabhängigen Georgien, Swiad Gamsachurdia. Der Literaturprofessor hatte durch eine gegen ethnische Minderheiten gerichtete Politik und alttestamentarische Verschwörungsszenarien Georgien während seiner Herrschaft in einen blutigen Bürgerkrieg gestürzt. Gamsachurdia stammt aus Sugdidi, dem Hauptort der Region Mingrelien, wo seit der gewaltsamen Vertreibung des Präsidenten regelmäßig Konflikte aufflackern. Eduard Schewardnadse, mit großer Mehrheit gewählter Nachfolger Gamsachurdias im Amt, versetzte die Streitkräfte in erhöhte Alarmbereitschaft und kündigte an, notfalls die Meuterei mit Gewalt zu beenden. Verhandlungen von Emissären mit den Aufständischen scheiterten gestern zunächst.

Unterdessen haben Eliawa und seine Leute noch nicht durchblicken lassen, was sie eigentlich mit ihrer Aktion bezwecken. Daß die Aufständischen keine konkreten Forderungen stellten, macht den Vorfall besonders verdächtig. Wahrscheinlich verfolgen die Rebellen nur das Ziel, Georgien als wichtiges Transitland für Öl aus dem Kaspischen Meer zu diskreditieren. Das internationale Konsortium AIOC mit Sitz im aserbaidschanischen Baku ließ denn auch gleich verlauten, die Arbeiten an der Pipelinetrasse in Georgien seien wegen der innenpolitischen Wirren vorerst eingestellt worden.

Der Pipelinebau und das internationale Projekt Traseca, die über das Territorium Georgiens verlaufen und die alte Seidenstraße zwischen Europa und Asien wiederbeleben sollen, haben in Georgien in den letzten Jahren einen bescheidenen wirtschaftlichen Aufschwung bewirkt. Politiker in Tiflis hoffen, das Land könne sich dadurch endlich aus der Bevormundung und Erpressung des russischen Nachbarn jenseits des kaukasischen Höhenzuges befreien. Die Russen hatten vergeblich versucht, den Pipelinebau zu verhindern. Sie favorisieren eine zweite Trasse von Baku durch die südlichen Regionen Rußlands zum Schwarzmeerhafen Noworossisk.

Darüber hinaus erwartet man in den nächsten Tagen eine endgültige Entscheidung, ob die geplante Haupttrasse einer Pipeline durch Georgien zum türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan tatsächlich in Angriff genommen wird. Im Unabhängigkeitskrieg der Abchasen gegen Georgien 1993 spielten russische Militärs eine zweifelhafte Rolle. Vermutungen, Moskau habe auch jetzt die Finger im Spiel, bedürfen indes stichfester Beweise. Die Ereignisse in Sanaki, die die gesamte Westregion Georgiens lahmlegen, lassen eine Trassenlegung durch Rußland mithin als weniger störanfällig erscheinen...