Mister Energiekonsens

Schröders neuer Mann für das Wirtschaftsministerium kommt aus der Strombranche und ist einer der Urheber der Energiekonsensgespräche  ■ Von Jürgen Voges

Hannover (taz) – Parteilos ist der neue designierte Bundeswirtschaftsminister genauso wie der Beinahe-Minister Jost Stollmann, der gestern gerade noch rechtzeitig für die SPD das Handtuch warf, nachdem er in drei Monaten Wahlkampf kein Fettnäpfchen ausgelassen hatte. Anders als Stollmann zählt der neue Bundeswirtschaftsminister Werner Müller immerhin schon seit sieben Jahren zu jenen wenigen Personen, von denen sich Gerhard Schröder tatsächlich etwas sagen ließ.

Als Wirtschaftsfachmann hat sich der heute 52jährige Schröder-Berater dabei allerdings bisher keinen Namen gemacht. Werner Müller war immer in Hannover zur Stelle, wenn es um den Energiekonsens ging. Das ist allerdings kein großer Mangel, denn das Wirtschaftsministerium ist auch für Energiefragen zuständig. In Schröders Staatskanzlei gilt Müller als Urheber der Konsensrunden, in denen zunächst Energiewirtschaft, Bundesregierung, SPD, Grüne und Umweltverbände und in den späteren Runden nur die Kohl-Regierung und die SPD eine Vereinbarung über die künftige Energiepolitik und die Atommüllentsorgung zu erreichen suchten.

Insofern hat Gerhard Schröder seinem energiepolitischen Berater, dem er nun zum Bonner Ministeramt verhilft, durchaus einiges zu verdanken. Waren es doch die ersten Energiekonsensgespräche Ende 1992, mit denen der gerade mal ein gutes Jahr in Niedersachsen regierende Schröder auf das Bonner Parkett vorstoßen konnte und dort für die ganze SPD auf Bundesebene verhandeln durfte.

Am 1. Juni 1946 kam Werner Müller in Essen zur Welt. Sein Abitur legte er 1965 in Niedersachsen, im emsländischen Meppen, ab. Bis 1970 studierte Müller Volkswirtschaft in Mannheim und Philosophie und Linguistik an den Universitäten in Duisburg und Bremen. Zum Doktor phil. promovierte der Diplomvolkswirt allerdings in Musikwissenschaften. Noch heute ist er ein guter Hobby-Pianist und scheut auch weite Wege nicht, um ein gutes Konzert zu hören.

Nach einer kurzen Zeit als Fachhochschullehrer wechselte der designierte Wirtschaftsminister nach kurzer Zeit in die Strombranche und arbeitete erst bei RWE, dann ab 1980 bei der Veba AG, wo er schnell Karriere machte und 1990 Generalbevollmächtigter des Konzerns für Energiefragen wurde. Schon Anfang der achtziger Jahre hatte Müller durch ein Buch auf sich aufmerksam gemacht, das in Kollegenkreisen keineswegs nur auf Zustimmung stieß, weil Müller gegen den Trend seiner Zunft von einer Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch ausging.

Das vom IG-Chemie-Vorsitzenden Hermann Rappe überbrachte Konsenspapier, mit dem die Vorstandsvorsitzenden von RWE und Veba dann 1991 bei Bundeskanzler Helmut Kohl schriftlich die Aufnahme von Konsensgesprächen anregten, hatte Werner Müller entworfen. Seinen Posten als Generalbevollmächtigter für Energiefragen konnte Müller allerdings nach einem Wechsel an der Veba-Konzernspitze nur noch bis Januar 1992 halten, dann mußte er in den Vorstand der Veba Kraftwerke Ruhr wechseln. Dort schied er im Oktober 1997 aus. Seither fungiert Müller als selbständiger Industrieberater. Gerhard Schröder hat mit dem einstigen Energiemanager, der nach der ersten Energiekonsensrunde sogar einen niedersächsischen Orden erhielt, schon seit 1991 einen förmlichen Beratervertrag, der Müller allerdings nur ein symbolisches Honorar von einer Mark im Monat garantiert. Immerhin gehörte Müller später auch jenem 20köpfigen wirtschaftspolitischen Beraterkreis an, der 1997 kurz durch die Dresdener Thesen öffentlich auf sich aufmerksam machte, in denen Schröder Versatzstücke des neoliberalen Mainstreams mit sozialdemokratischen Positionen mixte. An jenen Thesen hatte seinerzeit neben einer Schröder-Vertrauten aus der niedersächsischen Staatskanzlei auch Werner Müller maßgeblich mitformuliert.