Kommentar
: Raureif

■ Der nächste Präsident ist noch nicht benannt - trotz des "Wortes" der Spitzensozis

Über 40 soll sie sein; über 60 war er bisher immer: stets Mann, stets parteipolitisch vorbestraft, mit Heuss' Ausnahme stets aus CDU oder SPD. Das Grundgesetz sieht mit Bezug zu Hindenburgs Versagen einen schwachen Chefrepräsentanten vor. Noch schwächer aber ist, was die politische Praxis daraus machte. In den wenigen Koordinaten, die überhaupt frei zu bestimmen sind, entschied man sich in der Regel für das noch kommodere, noch konservativere, noch egalere.

Na, dann eben Rau. Heinemann sprach von „einem Stück Machtwechsel“, als er – Vorbote der sozialliberalen Koalition – gewählt wurde. Bei Rau ist ohne bösen Willen von einem Stück Stagnation zu sprechen: Hätte er zugunsten Hamm-Brüchers zurückgezogen 1994, es hätte die FDP zerrissen und Kandidat Scharping das Signal gebracht, dessen entbehrend er schließlich scheiterte. Rau, weil er bei Heinemann lernte? „Ich kann ja nur Bundespräsident“? Klingt nicht nach Aufbruch, eher nach Prinz Charles.

Raus Sturheit hat zu Kohls vier Bonusjahren über den Durst hinaus beigetragen. Das wäre hinzunehmen, wenn er, auch verspätet, jetzt neue Qualitäten ins Amt brächte. Versöhnen statt spalten? Vertöchtern wäre zeitgemäßer, denn schon wird das neue Kleeblatt Schröder, Lafontaine, Fischer, Trittin sichtbar. Nicht spalten? Was soll der Johannohneland denn tun mit seinem Amt, als demonstrativ dorthin zu gehen, wo es weh tut? Von Weizsäckher – mag sein, daß er sich für den besseren Kanzler hielt – von Weizsäcker jedenfalls ging mit der Definition des Kriegsendes als „Befreiung“ bis an und auf den Rand dessen, was seine Partei ertrug. Antje Vollmers trotziges Solo beim Durchtriebenentreffen knüpft daran eher an als Johannes Raus leutselige Skat- Abende an der Wupper. Souverän ein Land verwalten kann Heide Simonis auch.

Man sei bei Rau „im Wort“, geben sich just jene Spitzensozis moralisch, die gerade noch den höchst loyalen Rudolf Scharping zweimal öffentlich abgemessert haben. Nein, die Stelle ist noch nicht vergeben. Über 40 muß sie sein, eine Frau wäre selbst aus schieren Proporzgründen noch nötiger als jemand ostdeutscher Abkunft. Einem Kanzler Schröder ist ein starker Gegenspieler, dem Macher ein Visionär zu wünschen. Und direkt verboten ist es jedenfalls nicht, daß die Grünen einen öffnenden Vorschlag unterbreiten. Friedrich Küppersbusch