Büro für Frieden

Das Hamburger Institut für Sozialforschung diskutiert „Das Echo des 30jährigen Krieges“  ■ Von Joachim Dicks

Unter europäischen Staatsoberhäuptern ist der 24. Oktober unbestritten ein Feiertag. Vor allem in diesem Jahr: Zum 350. Jahrestag des Westfälischen Friedens kommen mindestens 9 Staatspräsidenten und 14 gekrönte Häupter nach Münster und Osnabrück. Sie repräsentieren jene Länder, die am 30-jährigen Krieg beteiligt gewesen sind, von Spanien bis nach Schweden, von Frankreich bis nach Polen und Tschechien. Unter Historikern wird der 24. Oktober allerdings kontrovers diskutiert. Zwar ist unbestritten: Mit dem Vertragswerk des Westfälischen Friedens wurde der bis heute längste und vielleicht verheerendste europäische Krieg offiziell beendet – nachdem die Bevölkerung Mitteleuropas zwischen 1618 und 1648 von 15 bis 17 auf zehn bis 13 Millionen dezimiert worden war. Ob der Friedensvertrag aber als Garant einer 150 Jahre andauernden Stabilität auf dem europäischen Kontinent oder aber als Ursache für „Türken“-, Erbfolge- und Territorialkriege angesehen werden muß, darüber scheiden sich die Geister.

In der vom Hamburger Institut für Sozialforschung veranstalteten Vortragsreihe Das Echo des Dreißigjährigen Krieges wird auf insgesamt sechs Veranstaltungen über „Konsequenzen und Rezeption totaler Gewalterfahrung in Staat und Gesellschaft von 1648 bis heute“ diskutiert. Von Interesse ist also nicht nur die vergangene Dimension der Ereignisse, sondern ebenso die Frage nach aktuellen Bezügen. Gerade die Rolle konfessioneller Unterschiede als Legitimation für militärische Auseinandersetzungen läßt Parallelen erkennen. Man denke etwa an den Libanon, Ex-Jugoslawien oder auch an Nordirland.

In dem ersten Vortrag der Veranstaltungsreihe vertrat Georg Schmidt von der Universität Jena die These, daß mit dem Westfälischen Frieden die Grundlage eines „homogenisierenden Wertekanons, nämlich Freiheit, Recht und Frieden“ geschaffen wurde, bei dem die Bedeutung der Konfessionalität zugunsten nationaler Identität zurückgedrängt worden sei. Der Nationenbegriff habe sich als „nach innen friedfertig funktionierend“ bewährt. Die zunehmende „Bürokratisierung“ von Konfliktfällen nach 1648 habe zu einer grundlegenden Befriedung beigetragen, frei nach dem Motto: Gerichtsverhandlung statt Krieg.

Ralf Pröve von der Universität Berlin vergleicht heute in seinem Vortrag „Gewalt, Recht und Herrschaft: Wahrnehmung und Darstellung von Gewalt in den Kriegen des 17. Jahrhunderts“ die Definitionen von Kriegsgewalt damals und heute. Dabei werden mediale Verarbeitungen in Bildern und Literatur ebenso eine Rolle spielen wie historiographische Darstellungen. Im November setzt Johannes Burkhardt von der Uni Augsburg das Programm mit einem Vortrag über den Dreißigjährigen Krieg als Verhaltensmuster fort – wie sich eine Dynamik der Kriegsverlängerung entwickelt, auch wenn die ursprünglichen Kriegsziele verloren sind.

In der gut besuchten Auftaktveranstaltung gab es im Anschluß an den Vortrag eine sehr angeregte Diskussion, die eine Hoffnung aller Historiker zu Tage treten ließ – daß es tatsächlich möglich sein könnte, aus der Geschichte zu lernen.

heute abend, 20 Uhr: Ralf Pröve; nächster Termin: 18.11.: Johannes Burkhardt: „Nicht-Aufhören-Können. Ein Verhaltensmuster des 30-jährigen Krieges in historischer und aktueller Perspektive“; 9.12.: Theodor Hanf: „Instrumenta pacis in vergleichender Perspektive. Zum Westfälischen und Libanesischen Frieden“, jeweils 20 Uhr, Mittelweg 36. Eintritt frei