Schlechte Karten für Spaniens Chefankläger

■ Der Staatsanwalt des spanischen Sondergerichts will die Auslieferung von Chiles Ex-Diktator Pinochet unbedingt verhindern. Doch die ermittelnden Richter haben das Recht auf ihrer Seite

Madrid (taz) – Staatsanwalt Pedro Rubira am spanischen Sondergerichtshof für Terrorismus und Finanzverbrechen, der Audiencia Nacional, ist entschlossen, einen Auslieferungsantrag gegen Chiles Ex-Diktator Augusto Pinochet zu verhindern. Er legte gegen den internationalen Haftbefehl von Ermittlungsrichter Baltasar Garzón, der am Samstag zu Pinochets Festnahme in London führte, Widerspruch ein.

Garzón ermittelt gegen Pinochet wegen der „Gründung einer bewaffneten Bande“, der Geheimdienstkoordination Condor, die in ganz Südamerika Regimegegnern nachstellte. Dazu habe sich der Diktator „der militärischen Strukturen und seiner Macht“ bedient, um „völlig straffrei ein terroristisches Regime aufzubauen“ mit dem Ziel, Menschen „zu entführen, zu foltern, zu ermorden und verschwinden zu lassen“. 94 Fälle füllen mittlerweile die Ermittlungsakten Garzóns.

Die spanischen Gerichte seien nicht kompetent, da die Verbrechen, die Pinochet vorgeworfen würden, im Ausland begangen worden seien, begründet Staatsanwalt Rubira seinen Einspruch. Außerdem schütze den Ex-Diktator sein Senatoramt auf Lebenszeit.

Die Einwände Rubiras sind nicht neu. Er hatte bereits im Dezember letzten Jahres mit fünf weiteren Staatsanwälten der Audiencia Nacional versucht, die Verfahren zu stoppen. Damals wie heute unterstützte sie der Chef der Staatsanwaltschaft an der Audiencia Nacional, Eduardo Fungairino, dabei. Die Militärdiktatur in Chile sei nichts weiter als „eine vorübergehende Suspendierung der verfassungsmäßigen Ordnung“ gewesen, „um die Unzulänglichkeiten dieser Ordnung zu beheben und den Frieden zu wahren“. Deshalb könnten die Putschgeneräle trotz „der systematischen Vernichtung ganzer Teile der Bevölkerung“ nicht des Völkermords und des Terrorismus bezichtigt werden, lautete das überraschende Ergebnis einer Studie Fungairinos.

Die ermittelnden Richter wollten diese Argumente nicht nachvollziehen. Sie berufen sich auf das seit 1995 gültige spanische Strafgesetz, wonach Verbrechen gegen die Menschlichkeit international geahndet werden können und nicht verjähren. Jetzt muß Richter Garzón selbst über den erneuten Einspruch entscheiden. Falls er ihn verwirft, geht er vor die nächsthöhere Instanz. „Doch dieses Prozedere hat keine aufschiebende Wirkung“, sagt der Juraprofessor Diego López Garrido, der die Anwälte der Opfer im Verfahren gegen Pinochet berät.

Fungairino scheint sich seiner schlechten Chancen, juristisch die Auslieferung zu stoppen, bewußt zu sein. Deshalb fordert er Regierungschef José Maria Aznar auf, den Antrag von Garzón nicht an London weiterzuleiten. Doch auch das ist nicht ohne weiteres möglich. „In der Europäischen Union gilt, daß sich die Regierungen nicht in die Auslieferungsanträge ihrer Richter einmischen, sondern die Anträge anstandslos weiterleiten“, sagt López Garrido. So sollen Auslieferungsverfahren soweit wie möglich entpolitisiert werden. „Wir können gar nicht anders, als die Entscheidungen, die die juristischen Organe fällen, mitzutragen“, bestätigt Außenminister Abel Matutes. Reiner Wandler

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