Teufel in Turnhosen

Satans Sohn mit Kinderschokoladengesicht: Olaf Ittenbachs später Splatter-Reißer Premutos  ■ Von Oliver Rohlf

Hätten sie sich so Satans Sohn vorgestellt? Ein pubertierendes Bürschchen mit blondem Haar, das unglücklich in das Mädchen von nebenan verliebt ist und beknackte Turnhosen trägt? Einer, der beim Fußball immer den Ball zwischen die Beine gedonnert bekommt? Okay, Filmfans wissen spätestens seit den Exorzist- und Omen-Trilogien, daß kindliche Unschuld nicht vor Bosheit gefeit ist. Und dieser Junge, der aussieht wie das neue Gesicht zur Kindermilchschokolade, hat wahrlich den Teufel in sich. Nicht irgendein Dämon vergreift sich da an der deutschen Jugend, nein, es ist Premutos selbst, das Urviech des Bösen, „der gefallene Engel“.

Dieser Unhold nutzt die menschliche Hülle des 18jährigen Matthias als Medium, um durch ihn die Herrschaft über die Menschheit zu gewinnen. Und bis es soweit ist, müssen noch viele Menschen Blut und Leben lassen, denn schließlich ergibt sich niemand kampflos dem Bösen. Um genau zu sein: Am Ende liegen da 139 Leichen.

Premutos, der jetzt im Fama Premiere hat, um direkt danach in der Videothek zu stehen, ist der neue Film von Olaf Ittenbach. Olaf wer? Verständlich, daß einem der Name des 29jährigen nicht sofort etwas sagt. Das liegt in der Natur des Genres, in dem sich der Filmfreak bewegt. Denn Olaf Ittenbach ist ein astreiner Splatter-Impresario, und ein solcher kreiert sein grausames Cineasten-Werk meist im tiefsten Untergrund. Dort vollzieht sich manchmal die kreative Metamorphose des Fans zum Macher. Und Ittenbach ist, ähnlich wie Jörg Buttgereit oder Hamburgs Zombie 90-Erfinder Andreas Schnaas, ein Kind der Szene. Er hat sie alle gesehen, die grausamen Werke der amerikanischen und südeuropäischen Filmschlächter aus den letzten zwei Jahrzehnten. Outputs, die den guten Geschmack mit Füßen traten, indem die Grenzen des Darstellbaren ausgelotet wurden. Doch die Filme eines Lucio Fulci, Sam Raimi oder Ruggero Deodato sind bekanntermaßen nicht nur Gegenstand kultischer Verehrung, sondern auch der kultur-politische Steinbruch in Sachen staatlicher Jugendschutz.

Wie die Regie-Vorbilder hat auch Ittenbach seinen Beitrag zum Thema „Verbreitung jugendgefährdender Schriften“ erbracht und postwendend die Rechnung erhalten. Vor acht Jahren debütierte er mit Black Past, einem Video, das ihm im eingeschworenen Kreis zu Ruhm verhalf. Mit The Burning Moon rasselte Ittenbach 1992 hart mit der Staatsanwaltschaft zusammen – mit der Folge, daß sein Zweitling wegen Gewaltverherrlichung konfisziert und der damals 22jährige zu einer empfindlichen Geldstrafe verurteilt wurde. Ein verbreitetes Phänomen jener Zeit: Anfang der 90er gehörten derlei juristische Eckdaten zum guten Ton einer vollständigen Horror-Biographie. Die Verteter des Genres definierten sich über den Grad ihrer Indizierung. Oft eilte den Filmen ihr Ruf voraus. Das Berliner Fanmagazin Splatting Image veröffentlichte mit der „Schnittparade“ eine Liste, in der das Redaktionsteam die Filme akribisch auf Kürzungen abklopfte und daraus den Wert einzelner Fassungen ableitete.

Verboten oder nicht, mit Premutos schließt Ittenbach nahtlos an die großen Splatter-Werke der frühen Achtziger an und hat natürlich mit dem Hauptproblem des Fachs zu kämpfen, dem des War-schon-alles-da. Seit ultimative Reißer wie Bad Taste oder Braindead weitere Zombie-, Kannibalen- und Slasher-Klopfer eigentlich überflüssig gemacht haben, wirken die nachfolgenden Streifen durch die Bank bemüht.

Das ist, anders als vor zehn Jahren, immer weniger eine Frage der Budgetierung denn der Konzeption. Leute wie Ittenbach scheinen dabei beim Special-Effekt zu beginnen und darauf die Story aufzubauen. Die Idee, die immerwährende Existenz des Premutos durch die Jahrhundertwende hindurch zu verfolgen, wird zur Makulatur, weil das Blut zu allen Zeiten und allen Orten stets im selben Rot schimmert und die Schreie immer auf der selben Frequenz liegen. Die wahre Hölle, die wandelt bei Ittenbach im Trash-Gewand durch die eigenen vier Wände des Ingolstadt der Neunziger. Dort gleicht das familiäre Umfeld von Matthias, diesem ungelenken Gegen-Gott – dargestellt übrigens vom Regisseur selbst –, einem Akt sozialer Barbarei. Der Vater ein soldatischer Gärtner mit enormer Waffensammlung, die Mutter eine dumme Frau, dazu ein befreundetes Ehepaar, bei dem der unterdrückte Gatte seine Frau mit zusammengerollten Popeln beschießt, ehe er in den Armen seiner Jugendliebe sein verdientes Glück findet. Und mittendrin und überall wirbelt zu allem Übel noch der okkulte Splatter. Aber um den geht's dabei gar nicht. Denn wie meinte der waffenschwingende Vater beim Eintreffen der Apokalypse? „Ich laß mir meine Party nicht versauen, und wenn sie noch so beschissen ist!“

Sa, 24. Oktober, 20.30 und 23 Uhr, Fama-Kino (mit Live-Show)