Das Wach-Wunder

■ Geschichte in Traumphasen: Jonathan Coes „Das Haus des Schlafes“

Sag mir wie du schläfst, und ich sage dir, was für ein Mensch du bist. Nach diesem Grundsatz hat der britische Schriftsteller Jonathan Coe offenbar die Protagonisten seines Romans „Das Haus des Schlafes“ gestaltet. Da ist zunächst einmal Gregory Dudden, der zu Collegezeiten lieber andere beim Schlafen beobachtet, als selbst die Augen zu schließen. Inzwischen hat er seine Leidenschaft zum Beruf gemacht und ist Leiter eines Schlaflabors. Da ist die Grundschullehrerin Sarah, die mal mit Gregory zusammen war, es aber nicht ertragen konnte, von ihm als Forschungsobjekt mißbraucht zu werden. Sie leidet an Narkolepsie, jener beunruhigenden Krankheit, aufgrund derer sie manchmal in ihrem eigenen Untericht einschläft. Dann ist da noch Terry. Zu Schulzeiten terrorisierte er seine Freunde mit einem 14-Stunden-Schlafrhythmus. Doch seine Profession als Filmkritiker und die obsessive Suche nach verschollenem Filmmaterial haben aus ihm einen „Langzeitschlaflosen“ gemacht, der mühelos 134 Filme ohne Pause hintereinander sehen kann. Als Dr. Dudden aus der Zeitung von dem Wach-Wunder Terry hört, lädt er ihn sofort in seine Schlafklinik nach Ashdown ein, ein etwas gruseliges Schloß. Die beiden ahnen nicht, daß sie die Vergangenheit miteinander verbindet.

Jonathan Coe teilt die Handlung in zwei Zeitebenen auf. Die Kapitel mit den ungeraden Zahlen spielen in den Jahren 1983 – 84, die mit den geraden Zahlen im Juni 1996. Durch den gleichmäßigen Rhythmus der Rückblenden gelingt es Coe, den Handlungsablauf zu verzögern und zu verdichten. Was leider fehlt, ist der Versuch, den verschiedenen Schlafphasen, in die das Buch außerdem unterteilt ist, auch verschiedene Sprachformen zuzuweisen. Aber Coes Sache ist eben nicht das Experiment, sondern der quasi-realistische Dialog.

Übrigens: Wer glaubt, daß man im Traum nicht lügt, wird ganz nebenbei eines Besseren belehrt.

Joachim Dicks

Jonathan Coe: „Das Haus des Schlafes“, Piper Verlag, München 1998, 395 Seiten, 44 Mark

Lesung: morgen, 19.30 Uhr, British Council, Rothenbaumchaussee 34