Unerschüttert vor gestürzten Horizonten

„T. Lux Feininger. Von Dessau nach Amerika: der Weg eines Bauhäuslers“ im Altonaer Museum  ■ Von Gernot Knödler

Die junge Frau steht wie aus Beton gegossen im Wind: Die Brüste vorgereckt, die straffen Beine fest an Deck – „Skipper's Daughter“ kann so leicht nichts erschüttern, schon gar nicht, daß hinter ihr der Horizont aus dem Bild stürzt. Sie steht senkrecht zur Linie der Wellen, stabil wie ein alter Seebär.

Das Gemälde aus dem Jahr 1932 stammt von Theodore Lux Feininger, dem dritten Sohn des Malers Lyonel Feininger. Seit mehr als 60 Jahren ist in Deutschland keine Ausstellung mehr von ihm gezeigt worden. Jetzt ist sein Werk im Altonaer Museum zu sehen, als zweite Station der Schau, die die Staatliche Galerie Moritzburg in Halle konzipiert hat: T. Lux Feininger – Von Dessau nach Amerika: Der Weg eines Bauhäuslers.

Mit dem Bauhaus und im ständigen Kontakt mit den Protagonisten jener Kunst- und Architekturbewegung ist der 1910 in Berlin geborene Feininger junior aufgewachsen. 1926 beginnt er sein Studium in Dessau, wo er Oskar Schlemmers Bühnenklasse besucht, sich aber bald auf Architekturfotografie spezialisiert. Erst gegen Ende der Ausbildung wendet er sich der Malerei zu.

Bereits an der sicheren Komposition seines ersten Ölgemäldes von 1929 wird der Einfluß des Bauhauses sichtbar: Drei coole Typen schwimmen in kleinen Booten um und auf einem dreieckigen Wellenberg herum. Ihre knallgelben Angelruten teilen den Dunkelblau in Dunkelblau gehaltenen Hintergrund rhythmisch. Den Rest erledigen Wattewölkchen und der Pfeifenrauch, den die Angler aus ihren Rauschebärten wie Sprechblasen ausstoßen. Die Farben sind kräftig und flächig aufgetragen. Erst bei Feiningers späteren Bildern kommen vielfältige Schattierungen dazu, so daß bei vielen der frühen Werke durch die realistische, aber schematische Darstellung der Dinge der Eindruck des Unwirklichen entsteht.

Dieser „magische Realismus“ nimmt nach der Emigration in die Vereinigten Staaten zum Teil bedrohliche Züge an: In „Back of Things“ wird ein Mann, am Boden liegend, von zwei Dominas bedroht. An einer Säule lehnt ein Zombie-Gangster mit MP, während im Hintergrund das Caféhaus-Treiben seinen normalen Gang geht. Lux malte diesen Traum nach dem Abschluß einer Psychoanalyse. Zufällig vollendete er das Bild am Tag des deutschen Einmarsches in Polen.

Später malt er weitere Träume mit monumentalen Frauen und geisterhaften Eisenbahnen, doch sein wichtigstes Motiv sind Schiffe: Segler mit Masten, Rahen und Seeleuten – am Hafen, auf hoher See, brennend, im Eis. Der Krieg und der anschließende Tod seiner Frau bringen eine Neuorientierung und verdrängen dieses Motiv vorübergehend: Lux Feininger stürzt sich in geometrische Studien und detailliert-realistische Tier-Zeichnungen.

Beides fließt ein in eine kubistische Phase. Er malt Antilopen, die sich in einer Vielzahl blau-rot-gelb aneinandergesetzter Farbflächen beinahe auflösen, aber auch das klassische kubistische Stilleben. Später arbeitet er mit Schablonen, die er aus Zeitschriften und Katalogen paust. In den 80er Jahren setzt er Buchstaben in die Bilder, später Briefmarken; sie werden collagenhaft, erzeugt aus den Erinnerungen eines inzwischen 88jährigen Lebens. Wilhelm II. mit seinem zackigen Schnurrbart taucht auf, das Dienstmädchen von damals und – immer wieder das Motiv Segelschiffe.

bis 7. Februar 1999, Altonaer Museum, tägl. außer montags von 10 bis 18 Uhr