„Gott sei Dank, es ist vorbei“

■ Auf Bewährung: Mildes Urteil für eine junge Frau, die aus Not zur Gelegenheitsdealerin wurde

Sie ist eine liebevoll-besorgte Mutter, lebensfroh, hübsch, aber auch zerbrechlich und naiv. Und als sie endlich ihren prügelnden Ehemann vor die Tür gesetzt hat, kommt der „Kick“. In der Techno-Disco „Tunnel“ versucht sie, ein Stück verlorener Jugend nachzuholen. Dort ist sie als „Ami“ wegen ihrer grünen Kurzhaarfrisur bald bekannt wie ein „bunter Hund“. Aber sie lernt die falschen Leute kennen.

Gestern mußte sich die Griechin Amalia G. wegen „gewerbsmäßigen Drogenhandels“ vor dem Hamburger Landgericht verantworten. Doch für die Vorsitzende Richterin Astrid Roderjan ist die 31jährige Mutter zweier Kinder keine „professionelle Dealerin“. Amalia G. kommt mit zwei Jahren auf Bewährung davon.

Es beginnt, als sie Adrian kennenlernt, der auch bald darauf bei ihr einzieht. Als er im November vorigen Jahres wegen des Vorwurfs der Dealerei verhaftet wird, kommt ihr die Idee, obwohl sie selbst Drogen verabscheut, die zurückgelassenen 10 Briefchen „Speed“ für 25 Mark und zehn Tabletten „Ecstasy“ für 15 Mark selbst zu verscherbeln. „Ich brauchte dringend Geld, wir hatten nichts zu essen“, sagt die geständige Mutter unter Tränen vor Gericht.

Nach den ersten Verkäufen in der Disco „Tunnel“ merkt sie, daß der Absatz – gerade bei ihren unprofessionellen Billigpreisen – boomt. „Ich guckte, wo man was kaufen kann.“ Sie lernt die Dealer Lars und Dirk kennen, die ihr 30 Gramm „Speed“, später zweimal 50 Gramm der Synthetikdroge liefern. Durch eine Freudin bekommt sie im Januar dieses Jahres Kontakt zu einer Rachel in Gelsenkirchen, die sie mit 30 Gramm und dann zweimal mit 50 Tabletten „Speed“ versorgt.

Trotz weiterhin akuten Geldmangels bekommt die Griechin bei der letzten Lieferung Gewissensbisse. „Die Tabletten hab' ich gleich im Klo weggespült.“ Und vom Pulver gibt sie nur noch einem „lieben Freund“ ein paar Gramm ab. Zu spät. Tags darauf tritt die Polizei die Tür ein. „Ich dachte, Gott sei Dank, es ist vorbei“, so die Angeklagte.

Bei der Urteilsverkündung fällt Amalia G. sichtlich ein Stein vom Herzen. „Sie können jetzt aufatmen“, beruhigt Roderjan die zitternde Angeklagte. „Ihr Glück waren ihr Geständnis“ und die Tatsache, daß dadurch die Lieferanten von der Polizei dingfest gemacht werden konnten.

Berücksichtigung findet im Urteil die triste Kindheit in Griechenland: Heirat mit 14 Jahren, mit 15 das erste Kind, das Leben auf dem Dorf. Roderjan, selbst Mutter, kann verstehen, daß die Versuchung für Amalia G. groß war: „Wenn das Geld der Sozialhilfe nicht reicht, die Kinder Turnschuhe für die Schule brauchen oder man zu Weihnachten den Kindern was Gutes tun will.“

Die Richterin glaubt, daß die Verhaftung Amalia G. „genug geschockt“ hat: „Wir sind der Meinung, daß es mit Ihnen künftig gutgehen wird.“

Kai von Appen