Türkei und Syrien einigen sich über PKK

Beide Staaten schließen ein Abkommen, wonach Damaskus die Arbeiterpartei Kurdistans als „terroristisch“ einstuft und nicht mehr unterstützt. Doch der Aufenthaltsort von deren Chef Öcalan ist weiterhin unbekannt  ■ Von Thomas Dreger

Berlin (taz) – Die Kriegsgefahr an der syrisch-türkischen Grenze ist vorerst gebannt. Gestern teilte das türkische Außenministerium mit, Vertreter beider Länder hätten sich in zweitägigen Geheimgesprächen im türkischen Șeyhan bei Adana auf eine friedliche Lösung im Konflikt um die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) geeinigt. Die syrische Seite habe in einem Protokoll versichert, PKK-Chef Abdullah Öcalan halte sich nicht mehr in Syrien auf, Damaskus halte die Kurdenorganisation inzwischen für „terroristisch“ und werde jede Unterstützung für sie unterbinden.

Syrien hatte die PKK seit Jahren finanziell und logistisch unterstützt. Öcalan hatte Wohnsitze in Damaskus und in Sahle, in der von syrischen Truppen kontrollierten libanesischen Bekaa-Ebene. Dort unterhält die PKK auch ihr zentrales Ausbildungszentrum, die Mahsum-Korkmaz-Akademie. Um gegenüber dem Nato-Partner Türkei eine politische Karte in der Hand zu haben, beherbergte das einst von der Sowjetunion unterstützte Syrien früher die Führungsspitzen der meisten linksmilitanten türkischen Oppositionsgruppen. Zu Treffen dieser „Kollegen“ erschien Öcalan ganz ungeniert im weißen Mercedes mit Damaszener Kennzeichen.

Doch diese Zeiten sind vorbei. Seit dem Zusammenbruch des Ostblocks sucht Syrien den Anschluß an das westliche Lager und will von der Terrorliste des US- Außenministeriums gestrichen werden. Doch damit ließ sich Öcalans Wohnsitz in der Landeshauptstadt nicht vereinbaren. Nachdem Anfang des Monats das eng mit Israel kooperierende türkische Militär mit 10.000 Mann an der syrischen Grenze aufmarschiert ist und mit der Bombardierung von PKK-Einrichtungen in Syrien droht, zog die Führung in Damaskus nun die Konsequenzen.

Doch wo steckt Öcalan? Monatelang war gemutmaßt worden, seine Abschiebung aus Syrien stehe unmittelbar bevor. Als Aufnahmeländer wurden die üblichen Verdächtigen gehandelt: Libyen, Sudan... vielleicht gar Armenien, weil man dort einen historischen Groll gegen die Türkei hegt. Eine völlig neue Variante brachte der türkische Ministerpräsident Mesut Yilmaz am Dienstag abend ins Spiel: Der PKK-Chef sei nach Moskau ausgeflogen worden, erklärte er. Und das türkische Massenblatt Hürriyet behauptete gestern gar, türkische Geheimdienstler hätten Öcalan in einem Vorort von Moskau aufgespürt.

Am Montag hatte sich Öcalan in einer Erklärung selbst zu Wort gemeldet und „das große Geschrei“, das in letzter Zeit um ihn ausgebrochen sei, beklagt. Zu seinem Aufenthaltsort sagte er gegenüber der PKK-nahen Nachrichtenagentur Dem: „Ich befinde mich aber jetzt nicht in Syrien. Ich bin in Kurdistan, und dort werde ich auch weiterhin meine Arbeit tun.“ Doch welchen Teil Kurdistans meint Öcalan? Im türkischen, iranischen oder irakischen wäre er in akuter Lebensgefahr, im syrischen will er nicht sein. Vieles spricht dafür, daß sowohl die Variante Moskau als auch die Behauptung Öcalans Finten sind, ein Ausweg für den PKK- Chef in den Ruhestand – vielleicht sogar in Syrien. Öcalan wäre nicht die erste international gesuchte Person, der dieses Schicksal widerfährt.