: Widerspruch gegen Patente auf Leben
■ Niederlande legen vor Gericht Einspruch gegen geplante Biopatent-Verordnung ein
Berlin (taz) – Die niederländische Regierung will die erst vor wenigen Monaten verabschiedete europäische Richtlinie über Biopatente wieder zu Fall bringen. Sie hat Anfang der Woche beim Europäischen Gerichtshof eine Nichtigkeitsklage gegen die umstrittene „EU-Richtlinie zum Schutz von biotechnischen Erfindungen“ eingereicht. Die Klage allein hat zwar noch keine aufschiebende Wirkung bei der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht. Doch die Gegner der Patentierungsrichtlinie sehen eine Chance, daß damit doch noch verhindert werden kann, daß Pflanzen, Tiere und menschliche Gene patentiert werden dürfen.
„Ich hoffe, daß sich jetzt auch andere EU-Staaten der niederländischen Klage anschließen werden“, sagt die Gentech-Expertin der Grünen-Fraktion im Europaparlament, Hiltrud Breyer, mit Blick auf die neue Bundesregierung. „Dies ist die Chance für Rot- Grün, die Gentechnik-euphorische Position der alten Bundesregierung neu zu überdenken und eine kritische Position zu beziehen“, so Breyer. Gut drei Monate Zeit hätten jetzt die EU-Mitgliedsstaaten, sich den Niederländern anzuschließen.
Über zehn Jahre hatten die EU- Gremien um die Biopatent-Richtlinie gestritten. Bis dann Anfang 1998 das Europaparlament den Forderungen der Gentech-Industrie nach einem umfassenden Patentschutz für biologische Erfindungen nachgab und den Weg für die Richtlinie freigab. Bei der Abstimmung im EU-Ministerrat hatten sich die Niederlande eindeutig gegen die Patentrichtlinie ausgesprochen, konnten sich aber nicht gegen die Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten durchsetzen. In ihrer Klageschrift stellt die niederländische Regierung jetzt diese Abstimmung in Frage: Die Richtlinie hätte nicht aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses verabschiedet werden dürfen. Da die Richtlinie nicht nur der Angleichung der nationalen Patentgesetze diente, sondern ein gänzlich neues Recht damit eingeführt wurde, hätte sie nur einstimmig beschlossen werden können.
Mit der Richtlinie, die von allen EU-Staaten bis Juli 2000 in nationales Recht umgesetzt werden muß, sollte vor allem sichergestellt werden, daß entgegen der derzeitigen Rechtsprechung auf Tiere, Pflanzen und einzelne – auch menschliche – Gene Patente vergeben werden dürfen. Bisher schließt das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) ausdrücklich den Patentschutz für Pflanzensorten und Tierrassen aus.
Die niederländische Klage stützt sich unter anderem auf ein Gutachten des Europarechtsexperten Professor Michael Schweitzer von der Universität Passau. Die Erfolgsaussichten ließen sich seiner Meinung nach zwar „nicht eindeutig einschätzen“, die Klage könne aber nicht „als aussichtslos bezeichnet werden“. Sollte der Europäische Gerichtshof sich der Argumentation der Niederländer anschließen, müßte das gesamte Gesetzgebungsverfahren neu aufgerollt werden. Wolfgang Löhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen