Die Quote reicht den Frauen nicht

■ Ihr Rollenverständnis versperrt Frauen den Weg zur Macht. Studie bemängelt Förderung von Nachwuchspolitikerinnen. Weibliche Abgeordnete fordern in Bonn die große Frauen-Koalition

Bonn (taz) – Die Quote allein reicht nicht aus, Frauen an die Schaltstellen der Politik zu bringen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Wissenschaftlerinnen der Technischen Universität (TU) Berlin, die untersucht haben, wie die Durchsetzungskraft von Frauen zu stärken ist. Alle weiblichen Abgeordneten in Deutschland wurden dazu befragt, was ihnen beim Einstieg in die Politik geholfen hat und welche Fördermaßnahmen sie aus eigener Erfahrung für besonders wichtig erachten. „Frauenförderung in der Politik kann sich nicht auf die Quote allein beschränken“, faßte die TU-Forscherin Barbara Schaeffer-Hegel die Studie zusammen, die gestern fraktionsübergreifend in Bonn vorgestellt wurde.

Laut Studie versperren nicht nur die Männer, sondern auch das eigene Rollenverständnis den Frauen den Weg zur Macht. „Zu wenig Konfliktbereitschaft und schüchterne Selbstdarstellung einerseits und Seilschaften der Männer und fehlende Zeit wegen der Familie andererseites sind die größten Schwierigkeiten, mit denen Politikerinnen kämpfen müssen“, berichtete Schaeffer-Hegel. Ihrer Ansicht nach müsse die Frauenförderung in der Politik bereits sehr früh ansetzen, um deutlich zu machen, daß politische Durchsetzungskraft und weibliche Identität miteinander vereinbar sind. Kooperation und Konkurrenz dürften sich nicht ausschließen. Es brauche mehr Institutionen wie die „Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft“, sagte die Wissenschaftlerin, die „Frauen aufs Führen vorbereiten“.

Jenseits des neuen Blicks auf die Quote wollen Frauen die Männer allerdings nicht aus der Verantwortung entlassen. So hat die Studie ergeben, daß nur der Ehemann einer einzigen der befragten Politikerinnen bekennender Hausmann ist. Die doppelte Belastung von Familie und Beruf mache es den Frauen noch zusätzlich schwer, sich im politischen Betrieb durchzusetzen, meinte Schaeffer-Hegel.

Die Politikerinnen stimmten den Ergebnissen weitgehend zu. „Zu wenig Selbstbewußtsein“ hielt Inge Wettig-Danielmeier von der SPD für das größte Problem der Politikerinnen. Den Vorwurf, die Frauen ihrer Partei hätten sich bei den Koalitionsverhandlungen selbst blockiert, wies sie zurück. Die Frauen hätten „rational diskutieren“ wollen – doch da hätten „die Männer schon ihre Absprachen getroffen“. Die SPD-Parlamentarierin forderte gesellschaftliche Veränderungen wie die Abschaffung des Ehegattensplitting oder Ganztagsschulen, um Frauen den Griff zur Macht zu erleichtern. In anderen europäischen Ländern wie Frankreich sei frau bereits wesentlich weiter. Die FDP-Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger rief zu einer ganz großen Koalition der Frauen auf. „Ohne diesen Zusammenschluß wäre die Durchsetzung des Straftatbestandes Vergewaltigung in der Ehe garantiert nicht so schnell erreicht worden“, nannte die ehemalige Justizministerin als Beispiel für fraktionsübergreifende Zusammenarbeit. Die Grüne Rita Grießhaber hatte gut lachen bei der Vorstellung der Studie. „Ohne die Quote wären wir nie dorthin gekommen, wo wir heute sind“, verwies Greißhaber auf die 50prozentige Quotierung ihrer Partei. Und fügte hinzu: „Aber jetzt müssen wir an die Seilschaftarbeit der Männer ran!“ Ruth Ciesinger