Bundestag entscheidet über Mahnmal

■ Bau des Holocaust-Mahnmals ist dennoch keine Gewißheit. Naumann präsentiert Idee von György Konrád als Alternative

Berlin (taz) – Machtworte wie unter Helmut Kohl wird es in Zukunft nicht mehr geben – zumindest nicht in bezug auf das geplante Holocaust-Mahnmal. In ihrem Koalitionsvertrag haben sich SPD und Grüne darauf verständigt, daß nun die Volksvertreter die Zukunft des lange umstrittenen Mahnmals in den Händen halten. „Die Entscheidung über das Denkmal auf dem vorgesehenen Ort in Berlin wird der Deutsche Bundestag treffen“, so die knappe Vereinbarung. Darüber hinaus soll sich, so steht es unter der Überschrift „Neue Offenheit von Politik und Kultur“, die neue Bundesregierung „an der breiten und offenen Diskussion in der Gesellschaft über das Denkmal für die ermordeten Juden Europas beteiligen“.

Nach langem, von gegensätzlichen Interessen geprägten Hin und Her zwischen den bisherigen Entscheidern – dem Bund, des Landes Berlin und dem privaten Förderkreis für das Mahnmal unter Führung der Journalistin Lea Rosh – liegen jetzt nachvollziehbare Entscheidungsstrukturen vor. Der Ort der Entscheidung ist klar definiert. Ein Hindernis auf dem Weg zur Realisierung des Mahnmals ist damit aus dem Weg geräumt: der Widerstand des Regierenden Berliner Bürgermeisters Eberhard Diepgen (CDU). Sein Widerwille gegen „eine Hauptstadt der Reue“ hatte eine von Kohl eingeforderte positive Entscheidung noch vor der Bundestagswahl verstellt.

Auch einen anderen Streitpunkt haben die Bonner Koalitionsparteien beseitigt: Sollten die Volksvertreter die Realisierung beschließen, dann wird das Mahnmal auf dem ursprünglich dafür vorgesehenen Gelände südlich des Reichstags und des Brandenburger Tores gebaut. Diese Ortswahl war in der Vergangenheit mehrfach in Zweifel gezogen worden.

Der Grüne Volker Beck nannte die Koalitionsvereinbarung zum Mahnmal gestern „den richtigen Weg, der Bundestag muß die Verantwortung übernehmen“. Zwar sei noch keine definitive Vorentscheidung für die Realisierung getroffen, „aber es ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg dahin. Das Gezerre zwischen den bisherigen Entscheidern ist beendet.“ Nun käme es darauf an, das weitere Verfahren zu definieren. Beck warnt davor, wieder ganz von vorne zu beginnen, ein neuer Wettbewerb inklusive. „Dafür findet sich auch kein ernstzunehmender Künstler mehr“, so Beck.

Trotz der nun getroffenen Vereinbarung ist der Bau des Holocaust-Mahnmals keine Gewißheit. Erst am Montag dieser Woche machte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Berlins, Andreas Nachama, einen überraschenden Vorstoß: Anstelle des Mahnmals schlug er eine Hochschule für Weltreligionen südlich des Brandenburger Tores vor. Er wünsche sich „ein aktives Denkmal, in dem thematisiert wird, was die Nazis ausrotten wollten: den jüdischen Geist und die biblische Tradition“. Ein Hochschulbau könne ein Denkmal „für alle Ermordeten sein“.

Auch der designierte Staatsminister für Kultur im Kabinett Schröder, Michael Naumann, gilt als ausgewiesener Gegner des Mahnmals. „Meine Haltung ist ganz klar: Ich sage nein“, hatte er noch im Juli diesen Jahres erklärt. In der Zeit erklärt Naumann nun, er befürworte eine Bundestagsdebatte über das Eisenman-Modell und wolle bei dieser Gelegenheit seine eigene Idee in die Debatte bringen. „Sie soll, Anregungen von György Konrád, dem Präsidenten der Berliner Akademie der Künste, über eine parkartige Anlage aufnehmend, die ästhetische Unmöglichkeit umgehen, diesem Verbrechen mittels eines Denkmals gerecht zu werden“, berichtet die Zeit.

Gerhard Schröder hatte sich im Juli hinter die ablehnende Haltung seines Kulturbeauftragten gestellt. Barbara Junge