Rot-rote Verhandlungen in Rekordzeit

Die Koalition von SPD und PDS in Mecklenburg-Vorpommern ist so gut wie perfekt. Bisher sind sich die Parteien in allen Fragen einig geworden. Plötzlich meldet sich die sozialdemokratische Basis mit Kritik  ■ Aus Schwerin Heike Haarhoff

Eigentlich läuft in den Koalitionsverhandlungen alles am Schnürchen für Harald Ringstorff (SPD). In einer Rekordzeit von nur sechs Tagen – morgen sollen die Verhandlungen mit dem strittigen Thema Finanzen beendet werden – hat der künftige Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern sich in fast allen Fragen durchgesetzt gegenüber der PDS, mit der er um eine Regierung für das nordöstliche Bundesland ringt. Um es mit Ringstorffs Worten auszudrücken: Es wurde „weitestgehende Einigkeit“ mit der PDS erzielt, egal, ob diese nun in der Umwelt-, Arbeitsmarkt- oder Bildungspolitik unterlag und dies gegenüber der Presse als „Schritt in die richtige Richtung“ zu kaschieren suchte.

Am Montag, wenn sich der neue Landtag konstituiert, wird Ringstorff zu seinem Bedauern zwar nicht zeitgleich mit Gerhard Schröder zum Regierungschef gewählt. Doch bis Monatsende sollen auch die letzten Feinheiten geklärt sein. Was steht da einer rot-roten Koalition, die PDS-Landeschef Holter will und mit der auch Ringstorff liebäugelt, noch im Weg? Im Zweifel die eigene Basis, und diese leidige Erfahrung macht nun auch der SPD-Chef.

„Sollte es zu einer Koalition mit der PDS kommen, werde ich aus der SPD austreten“, droht etwa der 20jährige Stephan Haring, Ex- Juso-Vize von Schwerin und Mitglied des städtischen Finanzausschusses. Der 31jährige Bruno Schuckmann, SPD-Stadtvertreter in Schwerin, der zu DDR-Zeiten wegen versuchter Republikflucht im Knast saß, will es ihm gleichtun. „Es ist doch eine elementare Grundfrage, ob wir mit der Nachfolgepartei der SED zusammenarbeiten“, klagt Haring. Denn für Haring „steht die PDS nicht auf dem Boden des Grundgesetzes“, anderslautende Beteuerungen von der SPD-Landesspitze hin oder her. Sie „hat nicht aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt“ und „lehnt sogar eine Überprüfung der Landtagsmitglieder auf Stasi-Mitgliedschaft ab“.

Weil das nicht „hinnehmbar“ sei, will Haring die 45 SPD-Mitglieder des konservativen „Güstrower Kreises“ für diesen Samstag nach Schwerin zusammentrommeln. Dort sollen „unsere Forderungen an eine sozialdemokratisch geführte Landesregierung“ formuliert werden. Eine Tolerierung scheint dabei eine mögliche Lösung zu sein, „da wäre der Einfluß der PDS auf die Bundespolitik nicht so hoch“. Der „Güstrower Kreis“ ist benannt nach dem Ort, an dem sich Gegner der Ringstorffschen rot-roten Bündnisambitionen vor zwei Jahren während der großen Werften- und Koalitionskrise erstmals trafen. Doch die damals schärfsten Kritiker einer Koalition mit der PDS, der Landtagsabgeordnete Rainer Beckmann und Justizminister Rolf Eggert, werden keine flammenden Reden mehr halten. Beckmann gehört der neuen Fraktion nicht mehr an, „und der Herr Eggert geht zu dieser Veranstaltung nicht hin“, weiß seine Sprecherin. „Einzelmeinungen“ seien das, die da am Samstag ausgetauscht werden sollen, rückt SPD-Fraktionspressesprecher Detlef Lindemann den politischen Einfluß des „Güstrower Kreises“ zurecht. Wo doch selbst der dem konservativen SPD- Flügel zugerechnete Abgeordnete Manfred Rissmann der PDS inzwischen zugesteht, „daß man sich in fachlich-sachlichen Dingen sehr nahekommen kann“.

Zumal die aus Sicht der SPD nichts Schlimmes befürchten läßt: Daß es keine neuen Atomkraftwerke geben und das Landesnaturschutzgesetz novelliert werden soll, darüber war man sich ohnehin einig. Strittig ist noch, wie allumfassend die Verbandsklage sein soll. In der Bildungspolitik, auf die sich SPD und PDS am späten Dienstagabend einigten, konnte die PDS ihre Maximalforderung, die Einführung der sechsjährigen Grundschule, nicht durchsetzen. Statt dessen wurde eine zweijährige Orientierungsstufe im Anschluß an die vierte Klasse vereinbart. Die verlängerte Grundschule bleibt aber langfristiges Ziel, ebenso wie die 1.000 zusätzlichen Schulsozialarbeiterstellen, die die PDS möchte, derzeit aber nicht finanzieren kann.

Auch in dem öffentlich geförderten Beschäftigungssektor – eine Kernforderung der PDS – sollen nur Stellen geschaffen werden, wenn es das Land nicht besonders belastet. Das bereits bestehende Arbeits- und Qualifizierungsprogramm Mecklenburg-Vorpommern bleibt weiterhin Rückgrat der öffentlich geförderten Beschäftigung im Land. Die Ausbildungsplatzgarantie für jeden Jugendlichen billigte die SPD zwar, nicht aber die Garantie auf anschließend einjährige Beschäftigung.