■ Netanjahu will mit dem Nahost-Gipfel seine Macht in Israel stärken
: Mit Blick auf die Heimatfront

Die Drohung des israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu, den Nahost-Gipfel in Wye vorzeitig zu verlassen, könnte sich als Bumerang erweisen. Denn selbst die US-Regierung hat den Palästinensern bescheinigt, im „Kampf gegen den Terror“ verbindliche Zusagen gemacht zu haben. Die Veröffentlichung des Verhandlungsstandes durch die USA war als Drohung gedacht und sollte Netanjahu zum Bleiben bewegen. Dessen Verhandlungsposition ist dadurch geschwächt worden. Niemand kann mehr nachvollziehen, warum Netanjahu einem Deal nicht zugestimmt hat, der seine eigenen Kernforderungen erfüllte.

Um das zu verstehen, ist ein Blick auf die Heimatfront nötig. Die israelische Rechte macht gegen Netanjahu mobil. Und sie meint es ernst, wenn sie droht, Netanjahu zu stürzen, der nur über eine Mehrheit von einer Stimme im Parlament verfügt. Zwar will die Arbeitspartei ein Rückzugsabkommen stützen, aber bei weiteren Mißtrauensvoten, etwa über den Haushalt, will sie Netanjahu kein „Sicherheitsnetz“ garantieren.

Den Eindruck erwecken, hart verhandelt zu haben, lautet die Devise der israelischen Delegation in den USA. Und Netanjahu möchte damit glänzen, mehr Sicherheitsgarantien zu erhalten, als jemals im Gespräch waren. Die Rechten wird das nicht beeindrucken, und früher oder später wird es zu Neuwahlen kommen. Ob diese über den Sturz der Regierung oder das bereits in Beratung befindliche Gesetz über die Auflösung der Knesset erfolgen, ist dabei nebensächlich. Die Rechten suchen bereits nach einem Gegenkandidaten zu Netanjahu. Bislang gilt Jerusalems Bürgermeister Ehud Olmert als Favorit. Doch auch den Siedlern und Nationalreligiösen dürfte klar sein, daß ihr Kandidat keine Chance hat. Eher wird es eine Regierung der „nationalen Einheit“ geben als den Sieg eines rechteren Kandidaten als Netanjahu. Im Grunde ist die größte Befürchtung auf seiten der Rechten, entweder keinen ober aber keinen besseren Kandidaten als Netanjahu an die Regierungsspitze bringen zu können. Dazu fehlt ihnen die Mehrheit.

Für Netanjahu stehen die Chancen objektiv besser, als man denkt. Wenn er ein Interimsabkommen mit den Palästinensern abschließt, wird er breite Zustimmung unter den israelischen Wählern finden. Sie werden ihm auf die Schulter klopfen unbd bestätigen, hart gegen Arafat und den Druck der USA verhandelt zu haben. Das kann seine Reputation zu Hause nur stärken. So kann er ganz gelassen Neuwahlen entgegensehen, egal ob sie über einen Sturz der Regierung oder ein neues Gesetz eingeleitet werden. Diese Wahlen wird er zweifellos überlegen gewinnen. Georg Baltissen