"Wir wollen nur einen legalen Verband"

■ Der iranische Schriftsteller Huschang Golschiri über die Situation der iranischen Schriftsteller unter Mohammad Chatami und die Chancen des im Ausland als moderat geltenden Präsidenten, die Machtverh

Huschang Golschiri (61) ist der bekannteste Schriftsteller Irans. Dennoch sind die meisten seiner Bücher in der Islamischen Republik verboten. Im vergangenen Jahr hielt er sich auf Einladung der Heinrich-Böll-Stiftung mehrere Monate in Deutschland auf, entschied sich aber zur Rückkehr nach Teheran. Anfang des Monats wurden er und fünf Kollegen zum wiederholten Male festgenommen. Sie hatten erneut zur Gründung eines unabhängigen Schriftstellerverbandes aufgerufen. Gerade erschien in Deutschland sein Buch „Der Mann mit der roten Krawatte“.*

taz: Was fordern Sie?

Huschang Golschiri: Wir wollen einen Schriftstellerverband gründen. Nichts, was gegen das Gesetz ist. Deshalb haben wir Schriftsteller aufgefordert, Leute zu wählen, die eine Satzung formulieren. Wir wollen dies innerhalb der Gesetze tun. Aber sie [die Behörden; d. Red.] haben uns deswegen irgendwohin vorgeladen und uns verhört, weil es sich um eine Untergrundorganisation handele.

Sie wurden verhaftet?

Nein. Nur irgendwohin vorgeladen und befragt.

Wo ist dieses Irgendwo?

Ich weiß nicht. Wir haben zwei Sorten von Gerichten: normale und andere – so wie das Gericht, daß die Journalisten der Zeitungen Dschamea und Tus verhaften ließ. Letztere Form von Gericht war auch für uns zuständig – ein Revolutionsgericht.

Wer steckt hinter diesem Gericht?

Wir wissen es nicht. Wir wissen nicht wirklich, wer uns vorgeladen hat.

Was hat man Ihnen gesagt?

Sie haben uns befragt und befragt und befragt.

Über was?

Über unsere angebliche Untergrundorganisation: Wer gehört dazu? Wie viele Leute haben sich an diesem oder jenem Tag getroffen.

Wo haben Sie sich getroffen?

In unseren privaten Wohnungen. Wir versuchten, es legal zu machen. Aber sie haben das nicht zugelassen.

Also wurden Sie in Ihrer Wohnung verhaftet.

Nein, nein. Sie sind hier hergekommen und haben ein Papier vorgelegt. Sie haben mir gesagt, ich solle nach Irgendwo gehen, und ich ging.

Wie lange wurden Sie und ihre Kollegen festgehalten?

Manchmal nehmen sie vier von uns oder fünf, manchmal nur für eine halbe Stunde. Das passiert halt so – manchmal für kurze Zeit, manchmal für länger. Dabei wollen wir nur einen legalen Verband gründen. Wir wollen mit jemandem sprechen, um ihn legal eintragen zu lassen. So wie Sie in Deutschland Organisationen für Schriftsteller, Arbeiter, Studenten usw. haben.

Was ist der Hintergrund dieser Angelegenheit?

Ich weiß es nicht. Aber ich hatte den Eindruck, daß es diesmal gefährlicher war als sonst.

Warum?

Weil dieses Revolutionsgericht für uns keinerlei Sicherheiten bietet. Wir können uns keinen Anwalt nehmen.

Im Ausland wird dieser Konflikt als Machtkampf zwischen dem Flügel des moderaten Präsidenten Mohammad Chatami und dessen konservativen Gegnern interpretiert.

Das Problem hat nichts mit Chatami oder anderen Leuten zu tun. Das Problem der Schriftsteller ist, daß wir der gesamten Regierung egal sind. Ich glaube nicht, daß sich Chatami wirklich für uns interessiert.

Hat der Druck auf Sie in der vergangenen Zeit zugenommen?

Die Situation derzeit ist sehr schlimm.

Warum?

Es ist sehr kompliziert zu erklären. Erst wurde es Schritt für Schritt besser, doch dann kam der Umschwung. Es ist wie ein Coup d'Etat!

Chatami wird im Westen als „moderat“ betrachtet. Man redet won einem Machtkampf zwischen verschiedenen Flügeln innerhalb der iranischen Führung. Stimmen Sie dem zu?

Eigentlich stimmen beide Flügel miteinander überein. Sie scheren sich nicht um Gesetze oder Menschen.

Sie haben im vergangenen Jahr mehrere Monate in Deutschland im Exil verbracht. Dann sind sie zurückgekehrt. Bereuen Sie diese Entscheidung?

Nein.

Haben Sie Angst?

Nein, dafür bin ich zu alt. Ich bin vorbereitet zu sterben.

Was hoffen Sie für die Zukunft Irans?

Daß wir das Recht bekommen, einen legalen Schriftstellerverband zu gründen, daß meine Freunde und ich ihre Bücher veröffentlichen können.

Sind Sie immer noch optimistisch, daß Chatami und seine Unterstützer die Situation für Intellektuelle im Iran verbessern werden?

Nein, das können sie nicht. Weil sie sich nicht um die Menschen scheren. Wenn sie wollten, könnten sie alles ändern.

Sie trauen Chatami nicht mehr?

Nein – ich mag ihn, aber er hat Angst vor seinen eigenen Ideen. Er interessiert sich mehr für Gott als für Menschen. Er will die Führung nicht absetzen. Er will kein Gorbatschow sein. Er ist ein netter Mensch, der nett lächelt. Aber was hat das für Folgen für die Leute? Er ist zu nett, um etwas zu erreichen. Interview: Thomas Dreger

*Verlag C. H. Beck, München, 48 Mark