Für Israels Hardliner ist das „Desaster“ eingetreten

■ Die Rechte wird sich trotz einhelliger Opposition gegen das Abkommen mit den Palästinensern spalten. Viele stehen zu Netanjahu, schon um ihre Privilegien als Regierungspartei nicht zu verlieren

Niemand anders als der amtierende Landwirtschaftsminister und ehemalige Generalstabschef im Libanon-Krieg von 1982, Raful Eitan, brachte die Stimmung der israelischen Rechten besser auf den Punkt: „Es gibt keine Möglichkeit, daß eine Übereinkunft kein Desaster darstellt“, erklärte er gegenüber der Jerusalem Post.

Das „Desaster“, gegen das die Rechten seit Beginn der Verhandlungen mobil gemacht haben, ist eingetreten. Mit Straßenblockaden, Hungerstreiks und Demonstrationen haben sie in den vergangenen Tagen Israels Ministerpräsident Netanjahu aufgefordert, zu seinem Wahlversprechen und zum „nationalen Lager“ zu stehen.

Vergeblich. Die Führer des „Yesha-Rates“, der Vereinigung der Siedler in den besetzten Gebieten, reisten selbst in die USA, um Netanjahu von der Unterzeichnung eines Abkommens und der weiteren Übergabe von Land an die Palästinenser abzuhalten. Ihre größte Befürchtung ist, daß einige isolierte Siedlungen de facto unter palästinensische Kontrolle fallen.

Aber nicht nur auf Seiten der Siedler, sondern auch auf Ministerebene hat sich der Widerstand gegen das Abkommen von Wye formiert. Justizminister Tzahi Hanegbi, Kommunikationsministerin Limor Livnat und Wissenschaftsminister Silvan Shalom berieten gemeinsam, wie sie ein Abkommen zu Fall bringen könnten. Auch die Minister der Nationalreligiösen Partei, Yitzhak Levy und Shaul Yahalom, berieten in eigenen Sitzungen über ihre mögliche Haltung zu einem Abkommen. Bislang galt ihnen die Anwesenheit des neuen Außenministers Ariel Sharon als Garant dafür, daß die Ambitionen des rechten nationalen Lagers nicht enttäuscht werden.

Doch aller Voraussicht nach wird Premier Netanjahu die härteste Gegenwehr gegen das Abkommen nicht im Kabinett antreffen. Trotz der Opposition einiger Minister gilt als wahrscheinlich, daß das Abkommen das Kabinett passieren wird. Auch die Oppositionellen haben nämlich vorsichtigerweise erklärt, daß sie nur dann gegen das Abkommen stimmen werden, wenn es „einseitig“ sei und Israel erneut Land abgebe, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten. Hier bleibt Netanjahu Spielraum, sie vom Gegenteil zu überzeugen.

Weniger Überzeugungskraft dürfte der Ministerpräsident aber gegenüber den Abgeordneten der „Groß-Israel-Front“ in der Knesset haben. Diese lockere Parlamentariergruppe unter Führung des ehemaligen Gesher-Abgeordneten Michael Kleiner hat angekündigt, bei jedweder Abtretung von Land an die Palästinenser die Regierung zu Fall bringen zu wollen. Da sie nach eigenen Angaben über 15 bis 20 Abgeordnete verfügt, ist die nur einstimmige Mehrheit der Regierungskoalition in der Tat gefährdet. Zwar wird die Mehrheit der oppositionellen Arbeitspartei Netanjahu in der Abstimmung über das Abkommen ihre Zustimmung nicht verweigern und damit eine Mehrheit im Parlament auf jeden Fall sichern. Doch wenn es zur Abstimmung über den nächsten Haushalt oder weiteren Mißtrauensvoten gegen die Regierung kommt, behält sich auch die Arbeitspartei eine neue Entscheidung vor. Auf jeden Fall erwartet Netanjahu bereits am Montag ein Mißtrauensvotum der Moledet- Partei des rechten Extremisten Rehavim Zeevi. Die dürfte er jedoch relativ mühelos überstehen.

Selbst wenn man die Regierungskünste Netanjahus in den vergangenen zweieinhalb Jahren in Rechnung stellt, ist keineswegs ausgemacht, daß seine Koalition überleben wird. Ein Gesetz zur vorzeitigen Auflösung des Parlaments, der Knesset, geht noch in diesem Monat in die zweite Lesung. Auch mittels dieses Gesetzes könnte die Rechte Netanjahu zu Fall bringen. Vorgezogene Neuwahlen wären in der Tat ein probates Mittel, um eine neue Koalitionsmehrheit zu finden.

Doch auch nach Abschluß des Abkommens mit den Palästinensern braucht sich Netanjahu keine Sorgen zu machen. Er wird auf breite Zustimmung in der israelischen Mitte stoßen. Und ein Gesetz, das die Direktwahl des Ministerpräsidenten durch das Volk wieder abschafft, muß erst noch verabschiedet werden.

Auch die israelische Rechte wird sich trotz ihrer einhelligen Opposition gegen das Abkommen mit den Palästinensern spalten. Es erscheint durchaus wahrscheinlich, daß eine Mehrheit zu Netanjahu steht. Zum einen, weil sie keinen besseren Kandidaten finden. Zum anderen, weil sie fürchten, ohne Netanjahu wird alles nur noch schlimmer. Und überdies sind da noch die eigenen Pfründe und Privilegien, die die Rechte als Regierungspartei zu verlieren hätte.