Wunder Emotional-Quotient

■ Verlierer im Designer-Anzug: Michael Heicks inszeniert das Manager-Melodram „Top Dogs“

Sie seufzen ganz leise und hüsteln dezent. Manchmal schauen sie mit konzentrierter Mine nach oben, spitzen den Mund, legen den Zeigefinger wichtig ans Kinn, und dann seufzen sie wieder ganz leise. Doch einer rutscht etwas zu laut mit dem Stuhl, ein anderer stöhnt unkontrolliert. Schließlich pupst jemand mit den Lippen ein infantiles Lied auf die Hoffnung, auf eine übergeordnete Gerechtigkeit für Leistungsträger, auf eine Einstellung. Wenigstens mittleres Management. Zur Not auch in Korea, wo man sich ja vor dem Essen hüten muß, weil man nie wissen kann, welchen überfahrenen Hund diese Asiaten da wieder kleingekocht haben.

Zwei Stuhlreihen voller Nietenzieher im Ene-mene-Muh der freien Marktwirtschaft. Alle sind sie „raus“. Aber sie sind Top Dogs, Arbeitslose im Designer-Anzug. Global Players bei der Großinvasion auf billige Rohstoffliferanten; Alpha-Tiere, die ihren Familien das beste Futter nach Hause liefern. Jetzt kauern sie da in schweineteuren Selbsterfahrungskursen für die ausgespuckte Elite und lecken sich ihren wunden EQ, den „Emotional-Quotienten“. Und weil das Leben da draußen auf den weltwirtschaflichen Schlachtfeldern zu hart war, um ganz ohne Mutter auszukommen, weinen sie sich jetzt ausgiebig bei den bezahlten Bezugspersonen aus. Sie schluchzen über den niegefahrenen Porsche und die alltäglichen Zumutungen zwischen Kantine und Chefetage. Schlimme Sache. Aber ein Haufen Tränensäcke, wenngleich auch streckenweise imposant gespielt, macht noch kein psychologisches Drama. Und wenn sie tausendmal fluchen: „Business ist Krieg“. Auch das ist sicher schlimm, zum scharfzüngigen Aphorismus taugt es jedoch kaum.

Michael Heicks bringt Top Dogs, für das Urs Widmer letztes Jahr den Mühlheimer Dramatiker-Preis erhielt, als stumpfen Exorzisten-Reigen auf die Thalia-Minibühne in der Heinrich-Heine-Villa. Jeder darf hier mal den inneren Schweinehund von der Kette lassen, gegen Wände rennen und seine Familie zum Teufel schicken. Eine seltsam uninspirierte Inszenierung, die ganz auf den Effekt nach außen gestülpter Innerlichkeit setzt und Empfindsamkeit predigt, wo Abstraktion eher Funken aus der darwinistischen Mechanik der Wirtschaftswelt hätte schlagen können. Doch da, wo die Branche alles auf Effizienz setzt, um dann doch den Ausverkauf des human capital zu posaunen, fällt Regisseur Heicks nichts anderes als ein durchgehangenes Jammertal ein. Doch wem kommen schon die Tränen, wenn er sich anschluchzen lassen muß, weil ein hart erarbeiteter 911er in der Garage bleibt, wieder mal eine Ehe den Statusverlust nicht überlebt oder die Mini-Bar dem Heißhunger der Frustrierten zum Opfer fällt.

Birgit Glombitza