Bye-bye Generationsterrorismus

■ Früher Punk und Revolte, heute orchestraler Bombast und innere Einkehr: Die Manic Street Preachers spielten im Glashaus der Arena

Do you think the Manic Street Preachers are sexy enough? Im Falle der Manic Street Preachers sicher eine der Gretchenfragen, die das englische Magazin The Face der walisischen Band da in seiner September-Ausgabe gestellt hat. Man kann sich leicht vorstellen, wie die Bandmitglieder auf dem Sofa unruhig hin und her rutschten und mit der Antwort zögerten, bevor sie zugaben, daß sie ohne ihren seit 1995 spurlos verschwundenen Cheflyriker Ricky James eben nicht mehr so sexy wie früher seien.

Auch im ausverkauften Glashaus dürften am Samstagabend eine ganze Menge Leute festgestellt haben, daß die Manic Street Preachers nicht nur keinen Sex mehr, sondern definitiv auch kein Charisma haben. Sänger James Dean Bradfield, Bassist Nicky Wire und Trommler Sean Moore sind mittlerweile gestandene Familienväter, die unspektakulär, ernsthaft und etwas schüchtern ihrer Arbeit nachgehen. Nur selten dreht Bradfield mal eine übermütige Pirouette, nur selten kommunizieren er und Wire mit dem Publikum, und Moore ist kaum zu sehen hinter seinen Drums. Keine Spur mehr von Generationsterrorismus und weit und breit auch kein Clash-oder Sex-Pistols-Epigonentum mehr in Sicht.

Eigentlich geht es an diesem Abend auch nur darum, sich zu erinnern. Wie aus den Manic Street Preachers, die Anfang der Neunziger am radikalsten und ernsthaftesten Teenagerrevolten entfachen wollten, Dadrocker und „Kings Of Rock“ wurden. Da steht man also, ordnet die Songs den mittlerweile fünf Alben zu und merkt, daß die Manic Street Preachers zum größten Teil Lieder der beiden letzten Alben „Everything Must Go“ und „This Is My Truth Tell Me Yours“ spielen.

Mag das ja Usus sein bei vielen Bands, so macht bei ihnen das Beharren auf der Gegenwart einmal mehr deutlich, daß das Verschwinden ihres Freundes Ricky James einen wirklich radikalen Wendepunkt markiert. Sorgte vor allem dieser dafür, daß die ganze Rock'n'Roll-, Sex-, Drugs-, Sozialismus-, und Sonstwas-Rhetorik der Band nicht von den Songs getrennt werden konnte (die in diesem Wirbel manchmal schier unterzugehen drohten), so steht heute einzig und allein der gut ausgearbeitete Song im Vordergrund. Früher Punk und Revolte, heute orchestraler, schwelgerischer, mal fröhlicher, mal trauriger Bombast und innere Einkehr.

So spielen die Manic Street Preachers alte Songs wie „Motorcycle Emptiness“ und „You Love Us“ auch eher gelangweilt herunter, um dann richtig energisch und lustvoll pathetisch zu werden mit „Kevin Carter“, „Tsunami“ und natürlich dem aktuellen und wirklich schönen und schwermütigen Hit „If You Tolerate This Your Children Will Be Next“. Wenn James Dean Bradfield dann noch Noel-Gallagher-like zwei Songs allein zur Akustischen singt, weiß man, was für Stunden hier schlagen. Das wirkt etwas bemüht und will auch nicht passen: Anders als Oasis sind die Manic Street Preachers eine gut funktionierende Band, dazu noch eine, die den U-Turn nach Verlust eines Mitglieds erfolgreich und eher elegant hinbekommen hat.

Zeilen wie „So if I can shoot rabbits then I can shoot fascists“ mag man ihnen aber weniger denn je abnehmen, sie wirken wie letzte sentimentale Reminiszenzen an die Zeit mit dem durchgeknallten Ricky James. „Design For Life“, ihr letzter Song an diesem Abend, paßt schon besser. Gerrit Bartels