Mißwahl entzweit Kroatien

■ Zur Schönheitskönigin 1998 wurde eine Muslimin gewählt – und wieder abgesetzt

Gestern abend sollte die endgültige Entscheidung über die Miß Croatia fallen. In einer Stichwahl standen sich die aus Dubrovnik stammende Lejla Sehović, 22, und die 17jährige Ivana Petrović gegenüber. Dies ist eigentlich nichts Außergewöhnliches – wäre es in den Tagen zuvor nicht zu einer erbitterten Debatte gekommen. Denn die Mißwahl ist zu einem Politikum geworden, das die kroatische Nation entzweit.

Als Lejla Sehović am 11. Oktober zur Miß Croatia gewählt wurde, hatte sich für sie ein Traum erfüllt. Doch schon fünf Tage nach dem Sieg sollte sie ihre hart erkämpfte Krone wieder abnehmen. Die Entscheidung der 17 Jurymitglieder, der auch drei ehemalige Schönheitsköniginnen angehörten, wurde rückgängig gemacht.

Milan Secković, der Organisator der Mißwahlen, erklärte auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz, es sei zu Unregelmäßigkeiten beim Wahlprozeß gekommen. Er setzte die zweitplazierte Ivana Petković, die ebenfalls aus Dubrovnik stammt, auf den ersten Platz. Als Lejla uneingeladen auf der Pressekonferenz erschien, erklärte sie, sie sei deshalb zurückgesetzt worden, weil sie muslimischen Glaubens sei. Als Secković die Veranstaltung beenden wollte, wurde er als „Faschist“ tituliert. „Nicht einmal unter Hitler wäre es zu einer solchen Entscheidung gekommen“, rief ein Journalist.

Lejla kündigte nicht nur einen Protest bei Präsident Franjo Tudjman an, sondern drohte damit, Menschenrechtsorganisationen einzuschalten. Eine prominente Rechtsanwältin übernahm den Fall. „Die Krone gebe ich nicht wieder her“, erklärte Lejla. Und genüßlich zeigten Tages- und Wochenzeitungen Bilder von ehemaligen Schönheitsköniginnen aus Deutschland, Frankreich und dem Vereinigten Königreich, wo Frauen iranischer, afrikanischer und karibischer Abstammung in ihrer neuen Heimat anstandslos zur Miß gewählt worden waren.

Der Organisator wehrte sich. Lejla hätte zwar die meisten Stimmen gewonnen, aber nur 6 der 17 Juroren hätten Lejla auf den 1. Platz gesetzt, dafür aber 8 die Konkurrentin. Der Weltverband erklärte, nur die ersten Plätze zählten bei der Entscheidung, man verstehe aber nicht, daß die Organisatoren zuerst die Wahl anerkannten und dann wieder annullierten.

Plötzlich mäkelten einige regimetreue Zeitungen an der angeblich etwas zu kräftigen Nase Lejlas herum. Aber sie wurde auch mit Blumen überhäuft, viele Menschen sprachen sich spontan und öffentlich in Radiosendungen für sie aus. So ist Lejla bereits zu einer Berühmtheit geworden, egal, wie die endgültige Entscheidung ausfällt. Erich Rathfelder