■ Mit Handy-Prozessen auf du und du
: Vorbild Rauchen?

Berlin (taz) – Die Handy-Industrie hat indirekt zugegeben, daß ihre Produkte gesundheitsschädlich sind – meinen Anwälte in Großbritannien. Die Juristen vertreten Mandanten, die Handyhersteller oder -verkäufer verklagt haben, weil sie Tumore, Schäden am Immunsystem oder Gedächtnisverlust auf die Nutzung der „Mobiles“ zurückführen.

Mindestens sechs führende Hersteller – von Ericsson über Alcatel bis Hitachi – hätten in letzter Zeit verräterische Patente eingereicht, meint der Anwalt Tom Jones im Independent vom Wochenende: Es würden Handy-Bauteile patentiert, die „Gesundheitsgefahren reduzieren“ sollten oder „sichere Abstände zwischen Nutzern und strahlenden Systemen“ schaffen sollten. Für Jones ist das ein Beweis, daß die Hersteller von Gesundheitsrisiken wußten. Diese dementieren das entschieden und erklärten, die neuen Patente seien lediglich ein Vorgriff auf zu erwartende schärfere Grenzwerte.

Rechtsanwälte in den angelsächsischen Ländern sehen trotzdem eine Welle von Schadensersatzprozessen auf die Elektronikkonzerne zurollen – ähnlich wie bei der Tabakindustrie, die inzwischen Milliardensummen für die Beilegung der Rechtsstreitigkeiten angeboten hat. Der Biologe und Strahlenforscher Roger Coghill aus Wales hat die Handyhersteller diesen Sommer verklagt und will den Aufdruck eines Warnhinweises erzwingen ähnlich dem „Rauchen gefährdet ...“ auf Zigarettenschachteln. Coghill fordert eine Empfehlung, nicht mehr als 20 Minuten am Tag mobil zu telefonieren.

Furore hatten 1997 neben anderen Studien vor allem Versuche in Australien ausgelöst. Im Auftrag einer Telefongesellschaft hatte eine Forschergruppe um Michael Repacholi Mäuse bestrahlt und festgestellt: Die elektromagnetischen Wellen der Handys können krebsfördernd wirken. Mediziner wiesen allerdings daraufhin, daß bei dem Versuch die Nager ganzkörperbestrahlt wurden, während beim Menschen nur der Kopf mit nennenswerten Intensitäten getriezt wird.

Die Grenzwerte der deutschen Elektrosmog-Verordnung berücksichtigen nur die Erhitzung des Körpergewebes durch die Strahlen ähnlich wie in Mikrowellenherden. Handynutzer dürfen demnach maximal 0,08 Watt pro Kilo Körpergewicht aufnehmen. Am Kopf dürfen es jedoch beim D-Netz bis zu zwei Watt, beim E-Netz ein Watt sein. Das nova-Institut gibt einen Vorsorgewert von 0,2 Watt an. rem