Draußen kreischt es ...

■ ... und im Kongreß-Zentrum tagt die HBV

Vor der Tür röhren und rumpeln Achterbahn und Karussells. Schrill dringt das Kreischen der Herumgeschleuderten ins Bremer Kongreß-Zentrum. Drinnen ist die Stimmung eher verhalten. Die Delegierten der Gewerkschaft Handel, Banken, Versicherungen ringen dort seit Samstag um die Zukunft ihrer Organisation.

Nur eine junge Delegierte aus Hessen gesteht, sich die Nacht zum Montag auf dem Freimarkt um die Ohren geschlagen zu haben. Denn bei der HBV ist kühler Kopf gefragt. Die mehr als 300 Gewerkschafter müssen entscheiden, ob sie dem Vorstand folgen und ihre Organisation mit den Gewerkschaften ÖTV, der Postgewerkschaft, der IG Medien und der Konkurrenz von der Deutschen Angestelltengewerkschaft zu einer Mega-Gewerkschaft verschmelzen wollen.

Nicht ohne Hintersinn hatte die alte und neue HBV-Chefin Margret Mönig-Raane Bremen als Tagungs-Ort ausgeguckt. Denn die Hansestadt ist ein gutes Pflaster für die HBV, die in diesem Jahr auch ihren 50. Geburtstag feiert und damit die jüngste Gewerkschaft im Deutschen Gewerkschaftsbund ist.

Schon 1995 hatte sich die Gewerkschaft in Bremen versammelt, um wichtige Weichen für die Zukunft zu stellen. Damals war die HBV nach einer unkontrollierten Expansion in die neuen Bundesländer Anfang der 90er Jahre fast bankrott. Mitten in der Wahlperiode war der alte Vorstand zurückgetreten, Mönig-Raane hatte 1993 das Ruder übernommen und einen harten Sanierungskurs eingeleitet, der auch 300 der einstmals 1.000 HBV-Angestellten den Job kostete. Vor der Bremer Versammlung war damals völlig unklar, ob die Basis den Kurs der Vorsitzenden absegnen werde.

Es ging alles gut für Margret Mönig-Raane, 75 Prozent der Delegierten stimmten vor drei Jahren für die 50jährige. Gestern nun gab es einen noch größeren Vertrauensbeweis mit 87 Prozent Ja-Stimmen. Damit ging das in Erfüllung, was Bremens Bürgermeister Henning Scherf zur Begrüßung der Delegierten am Samstag gewünscht hatte. ÖTV-Mitglied Scherf hält die Dienstleistungsgewerkschaft für eine große Chance, um den Konzentrationsprozessen im Arbeitgeberlager entgegenzutreten.

Fast nebenbei geschah gestern in Bremen auch etwas frauenpolitisch historisches: Die „Frauengewerkschaft“ HBV, 70 Prozent ihrer 488.000 Organisierten sind weiblich, gab sich die weitreichendste Frauenquote unter Deutschlands Parteien und Gewerkschaften. Künftig sollen alle Gremien und Kommissionen gemäß dem Mitgliederanteil mit Frauen besetzt werden. Die AnhängerInnen einer strikteren Quote konnten sich jedoch nicht durchsetzen. Sie hatten verlangt, die Plätze in den Gremien überhaupt nicht zu besetzen, falls sich nicht genügend Frauen zur Kandidatur bereitfinden würden. Stattdessen sollen in einem solchen Fall künftig stets zwei Frauen in die Landesbezirksvorstände entsandt werden. So waren die GewerkschafterInnen am Ende fast alle zufrieden. Aber Euphorie drang nur von der Achterbahn ins Kongreß-Zentrum. Joachim Fahrun