Kein Witz: Manfred Krug Von Fritz Eckenga

Das Telefon klingelte, ich nahm ab und meldete mich mit meinem Namen: „Manfred Krug.“ Der Bekannte am anderen Ende unterstellte „haha, lustig“ einen Scherz und merkte noch an, daß witzige Gesprächseröffnungen am Telefon in aufgeklärten Kreisen eigentlich schon seit der Währungsreform verboten seien. Ich war mir aber gar keines humoristischen Vergehens bewußt und wollte jetzt wissen, was gemeint sei. Ich sollte mich nicht so blöd verstellen, wisse wohl genau, was ich gerade gesagt habe, und ob ich den Witz denn wenigstens mal erklären könne. „Aber ich habe doch gar nichts gesagt!“ erwiderte ich genervt. „Hast du doch! Du hast Krug gesagt! Manfred Krug! Wo bitte ist der Witz?!“

Das mußte ja mal so kommen. Ich hatte in den letzten Jahren einfach zuviel Kontakt mit ihm gehabt. Es ist aber auch einfach kein Vorbeikommen an dem dicken Kerl. Schon morgens in der Zeitung guckt er einen aus mehreren Programmhinweisen gleichzeitig an. Krug ist ja Tatort-Kommissar und Rechtsanwalt Kreuzberg, und abgehauen ist er auch. Aus der DDR. Damals, als es sie noch gab. Das ist schon lange her, wurde aber vor kurzem noch mal verfilmt. Mit Krug. Als Krug. Krug ist auch Autor eines Buches über sein Abhauen. Und Sänger der Abgehauen-Film-Musik auf CD. Deswegen ist neben den Krug-Fernsehtips oft noch eine Anzeige für das Krug- Buch oder die Krug-CD. Es kann also passieren, daß einem die morgens noch besonders verwundbare Wahrnehmung schon nach zehn Minuten Frühstück zehnmal Krug in Schrift und Bild untergejubelt hat, ohne daß man eigentlich selbst dabei war. Sachte wird das Hirn krugunterspült und gefügig gemacht für die folgenden Dosen. Während es vorne beiläufig die TV-Rezension der aktuellen Krugfilme aufsaugt, führt ihm von hinten das dauerlaufende Küchenradio unablässig Krug-O-Töne durch die Lauscher ein: „Telekom, die machen das!“ spricht Krug ganztägig in kurzen Abständen und im notorisch kumpeligen Krugduktus. Das klingt gar nicht anders als das krugkommissarische „Brockmöller, mach du das mal!“ oder das kruganwaltliche „ich mach' jetzt Feierabend“. Einfach so dahingeworfene Sätze. Und ganz gleich, wo man auch hinschaut oder -hört, liegen sie dann rum. Überall und nirgends. Alles randvoll mit Krug.

So geht das jetzt schon jahrelang. Man kann ihm nicht entgehen. Krugs mediale Präsenz ist kanzlerhaft penetrant. Wobei man dem alten wenigstens zubilligen muß, daß er nicht in Persil- oder Post-Werbespots auftrat. Bei dem neuen dürften einem diese krugschen Peinlichkeiten aber nicht erspart bleiben. Der ist ja schon im Wahlkampf in einem Jever-Reklame-Remake mit wehendem Mantel durchs Watt gestampft („keine Termine, kein Streß, keine Arbeitslosen“). Das wird ein richtig spannender Wettbewerb zwischen den beiden. Schon jetzt steht es bei jedem willkürlichen Kanaldurchzappen pari. Wird der Baldkanzler die Krugvorherrschaft brechen? Noch bin ich besessen von Krug. Wird es der Rivale schaffen, sich an Krugs Statt in mich hineinzumetamorphisieren? Wird der nächste Bericht aus dieser merkwürdigen Welt also so beginnen?: Das Telefon klingelte, ich nahm ab und meldete mich mit meinem Namen: „Gerhard Schröder.“