Rangelei um Opel-Vorstand beendet

Aufsichtsrat ernannte neue Doppelspitze: Chef wird Robert W. Hendry, und Wolfgang Strinz besetzt den neugeschaffenen Posten des Stellvertreters. Hendry ist bereits der dritte Opel-Chef in diesem Jahr  ■ Aus Rüsselsheim Heide Platen

Der Welt größter Autokonzern, General Motors, ersparte Managern und Betriebsräten der deutschen Tochter Adam Opel AG gestern den vorige Woche angekündigten gemeinschaftlichen Selbstmord. Der Aufsichtsrat beendete am frühen Nachmittag mit einer eilig einberufenen Pressekonferenz in Rüsselsheim vorerst das monatelange Personalkarussell. Neuer Vorstandschef bei Opel wird der US-Amerikaner Robert W. Hendry. Wolfgang Strinz besetzt den neugeschaffenen Posten des Stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden.

Kollektiven Selbstmord hatten etliche Mitarbeiter provokativ angekündigt, falls statt dessen Entwicklungschef Peter Hanenberger tatsächlich auf den Chefsessel des Konzerns berufen worden wäre. Der gelernte Maschinenschlosser war in der Vergangenheit intern für zahlreiche Pannen und damit für einen über einprozentigen Umsatzrückgang bei der traditionsreichen deutschen Firmentochter Opel in Rüsselsheim verantwortlich gemacht worden.

Betriebsräte fürchteten um den traditionsreichen Standort und um den Ruf des Markennamens Opel. Hanenberger hatte einen rigorosen Materialsparkurs gefahren. Opel mußte sich dafür nach Rückrufaktionen in ganzseitigen Zeitungsanzeigen bei den Kunden entschuldigen. Er war der Wunschkandidat des US-amerikanischen Firmenchefs Jack Smith, der in den vergangenen Monaten mit verwirrenden Umbesetzungen dafür gesorgt hatte, daß Opel innerhalb eines Jahres nun mit Hendry nach David Hermann und dem kurzfristig nach Detroit versetzten Gary Cowger den dritten Vorstandschef bekommt. Hanenberger bleibt trotz der Kritik im Vorstand.

Aufgrund der Querelen zwischen Detroit und Rüsselsheim war am Wochenende der langgediente Opel-Mann und Aufsichtsratsvorsitzende Hans Wilhelm Gäb zurückgetreten. Er hatte sich unter anderem darüber beklagt, daß er und seinen Kollegen der geplante Personalwechsel erst durch die Presse erfahren hätten. In seiner außerordentlichen Sitzung wählte der Aufsichtsrat gestern den 56jährigen Hans Barth zum Nachfolger von Gäb. Er bringt, wie Gäb, heimischen Stallgeruch mit. 1958 lernte er von der Pike auf bei Opel am Main, wo schon Vater und Großvater arbeiteten. Er studierte Maschinenbau und diente sich als Manager zum Finanzdirektor des Technischen Entwicklungszentrums der Adam Opel AG empor. 1995 wechselte er zu General Motors Europe in Zürich. Neu in den Aufsichtsrat wurde außerdem Europa-Präsident Michael J. Burns aufgenommen.

Vor allem Burns mußte gestern Fragen zur Zukunft der Adam Opel AG beantworten. Er wehrte sich gegen Vorwürfe, daß „Chaos“ im Konzern geherrscht habe. Niemand habe geahnt, daß der Streik in Detroit „so schwer und so lange“ sein werde. Cowger sei nur zu dessen Befriedung abberufen worden. Mit Opel habe das nichts zu tun gehabt. Es bestehe wieder Konsens und es könne nun „vorwärts und an die Arbeit“ gegangen werden. Aufsichtsrat und Betriebsratsvorsitzender Rudolf Müller betonte, daß die Modernisierungs- und Investitionspläne des Standortsicherungsvertrages für Rüsselsheim bestehen bleiben. Mit weiteren US-amerikanischen Managern in Vorstand und Aufsichtsrat werde der deutsche Standort gestärkt. Hendry, der seine Funktion als Präsident des schwedischen Automobilherstellers Saab behält, sei ein „hervorragender Kenner des europäischen Marktes und der europäischen Kultur“.

Für den Rücktritt von Gäb nannte Müller außer gesundheitlichen Gründen die „hohen Reibungsverluste“ der Diskussionen in den vergangenen Monaten. Der Betriebsratsvorsitzende sprach im Namen der gesamten Belegschaft sein Bedauern über den Rücktritt von Gäb aus, der „kompromißlos ehrlich“ gewesen sei und nicht nur „das Vertrauen aller Arbeitnehmer“ gehabt habe, sondern auch in ganz Europa „Sympathieträger“ für Opel gewesen sei.