„Wer macht hier Stadtplanung?“

■ Über die Machtlosigkeit von Stadtplanung – Streitgespräch des Ex-Senators Fücks (Grün) mit dem neuen Senator Schulte (CDU)

„Eine halbe Betriebsversammlung“ sei das ja, staunte der frühere Stadtentwicklungs-Senator Ralf Fücks. An die 200 Leute waren in den Lichthof des Planungsamtes gekommen, angekündigt war ein beispielloses Stück politischer Kultur: Der derzeit für Stadtentwicklung zuständige Bausenator Bernt Schulte stellte sich der Debatte mit seinem Amtsvorgänger.

Und der feuerte, wie man es von ihm erwartet, eine kritische Breitseite nach der anderen ab, weil die Stadtplanung nicht mehr die Idee von Stadt verfolgt wie zu seiner Zeit.. Die neuen Angebote an der Peripherie lassen die Stadt ausfransen, findet Fücks. Gerade wurde einem Steuerberater-Büro in der Hemelinger Marsch für 88 Mark pro Quadratmeter ein Grundstück verkauft. Bei solchen Kampf-Preisen auf der grünen Wiese kann die Stadt nicht mithalten.

In der Wohnungsbaupolitik müsse eine Stadt, meinte Fücks, attraktive urbane Wohnformen anbieten, „wir behaupten uns doch nicht gegen Oyten, indem wir Bremen veroytisieren“.

Viel Beifall gab es für solche klaren Worte, Schulte fand den Konkurrenzdruck gegen das Umland „irgendwann auch schizophren“, aber wer will den Leuten verbieten, am Stadtrand von Bremen ihr Haus im Grünen zu bauen, wenn sie das wollten. Man müsse beides machen. In Außenbereichen, wo es Nachfrage gebe, neue Flächen zur Verfügung stellen und auch etwas für „mehr Stadt auf weniger Fläche“ tun, meinte Schulte.

Richtig bei seinem Thema war Fücks, als es um die vor sich hin ödenden Hafenreviere ging. „Zum Verzweifeln“ sei das, ein „Trauerspiel“, „man schämt sich richtig“: Überall in der Welt würden die alten Hafenreviere für die Städte neu gestaltet. „Waterfront“ ist das Markenzeichen einer neuen urbanen Stadtkulisse. „Und die Bremer Betonköpfe der Hafenlobby“, schimpfte Fücks, sitzen auf ihren Grundstücken, zahlen drei Mark Pacht im Jahr pro Quadratmeter und machen daraus Lagerflächen in einer Entfernung von fünf Gehminuten von der City! „Wer macht denn da Stadtplanung um Himmels Willen?“ Fücks ereiferte sich und die versammelten Stadtplaner im Saal klatschten erleichtert, daß es einer mal so klar sagt.

„Mich ärgert das genauso wie Herrn Fücks“, räumte Schulte ein und versicherte: „Das Hafenressort wird es nach der nächsten Wahl nicht mehr geben.“ Der aktuelle Planungs-Wettbewerb, der Ideen und Investoren für die Hafenreviere zusammenbringen soll, werde „ohne Tabus“ ausgewertet. Und welche Investoren kommen dann? Köllmann, der Projektentwickler des Space Parks? „Der hat sich zum Glück noch nicht angemeldet“, rutschte es Schulte heraus.

Bundesweit dankt die Stadtplanung ab, wo man die Investoren tun und lassen läßt, was sie wollen, sagte Fücks. Beispiel Haven Höövt, das alte Herzstück Vegesacks., „zugeknallt“ mit einer austauschbaren Einkaufszentrums-Architektur. Oder der Space Park, ursprünglich als europaweite touristische Attraktion angepriesen, am Ende ein schlichtes Einkaufszentrum. Das neue Einkaufszentrum sei ein „direkter Angriff auf die Innenstadt. Ich finde, das muß man verhindern“, sagte Fücks. Beifall der Stadtplaner.

Schulte hatte das in seinem Stadtentwicklungskonzept auch nicht so vorgesehen. Aber der Space Park komme, sagte er. „Wir ringen darum, wie man das innenstadtverträglich hinbekommt.“ In den nächsten ein, zwei Jahren der Planung könnten die Bedenken und Bedingungen der Stadtplanung eingearbeitet werden. Auch wenn er an den Verhandlungen nicht beteiligt sei und bisher die Verträge nicht gezeigt bekommen habe - „die Umsetzungsverantwortung liegt bei mir“. Der Space Park sei und bleibe aber eines der „Schlüsselprojekte“ des Sanierungsprogramms, auch wenn sich sein Anteil neben dem Einkaufszentrum „immer weiter reduziert“.

Die Investoren präjudizieren die Stadtplanung, kritisierte Fücks. „Was soll ich da beschönigen?“, räumte Schulte ein. K.W.