Sauber verpackte Granaten

Zum 40jährigen Jubiläum der Städtepartnerschaft mit Marseille ist in Hamburg viel französische Kunst zu sehen  ■ Von Hajo Schiff

Auf daß Nordmeer und Südmeer wieder mehr verbunden seien, wurden zum vierzigjährigen Jubiläum der Städtepartnerschaft mit Marseille die kulturellen Beziehungen aufgefrischt. Im November wird Bürgermeister Runde die Stadt besuchen, die nach St. Petersburg Hamburgs zweitälteste Partnerstadt ist. Sind dann dort Ausstellungen von Hamburgern einzuweihen, zeigt das Kunsthaus jetzt schon Objekte aus der Mittelmeerstadt.

Auffällig ist die Beschäftigung mit latenter Gewalt und eine eher kritisch-satirische Haltung. Wenn Pascale Mijares in den Weinkisten Rothschilds säuberlich Granaten verpackt und Gilles Barbier einen Atompilz aus Watte ins Zentrum der Ausstellung stellt, erinnert das daran, daß die politische Ökonomie des Nachbarlandes gelinde gesagt nicht immer auf Zustimmung stößt. Und selbst die lustige Arbeit mit hunderten von Nußschalenschiffchen mit Segeln aus Werbeaufklebern bekommt als Spiel „Schiffe versenken“ einen anderen Beigeschmack, denkt man an die unrühmliche Sabotage an dem Greenpeace-Schiff „Rainbow Warrior“. Damit nicht genug, zeigt Sylvie Reno 18 Kalaschnikows, die Hälfte zerlegt und alle aus Pappe. Und der Maler Frederic Clavere ist von der Gewalt gegen den Körper besessen. Dabei wirkt aber seine Malerei in Form und Inhalt mitunter altbacken, wie in dem Gemälde, in dem vor der Aussicht aus seinem Atelierfenster sein Körper mit dem Gesicht von Dürers Selbstporträt ans Kreuz geschlagen ist.

„Boykottiert diese Ausstellung“ und „Wir wollen Sex“ schimpfen kleine Dinomutanten von der oberen Ecke einer Stellwand herab. Gilles Barbier treibt die Obstruktion noch weiter und trifft damit genau den Eindruck, den man zunehmend im Ausstellungskarussel gewinnen kann: Seine Figur im schwarzen Anzug jongliert mit Sprechblasen. „Ich wollte Ihnen etwas wirklich Interessantes erzählen, das Dumme ist nur, ich habe es vergessen...“, ist da zu lesen. Schön, daß wir darüber gesprochen haben, möchte man hinzufügen.

So wichtig politisch günstige Rahmenbedingungen für die Kunst sind, so schwierig ist es in der hochvernetzten Szene geworden, Künstler einzelnen Herkunftsländern zuzuordnen; eine spezifische Stadtkultur auszumachen ist nahezu unmöglich. Keine zu große Überraschung also, daß die schwarzweißen Dämmerungsfotos von Laurent Septier in Südchina gemacht wurden und seine Leuchtkästen in seltsam gebrochener Botschaft triviale Dinge mit chinesischer Schrift kombinieren.

Daß die Anregungen durch andere Orte sich aber meist nicht direkt in der künstlerischen Arbeit niederschlagen, zeigt auch eine weitere Austauschausstellung, in der die Hamburgerin Sabine Kramer und die in Marseille lebende Susanne Hetzel gleich an zwei Orten zu sehen sind. Sabine Kramer überführt ihre Reiseeindrücke in eine mitunter hermetische Formenwelt voller blecherner Bildfahnen und geflügelter Hermesschuhe. Susanne Hetzel richtet den fotografischen Blick auf die Kombination jener kleinen Dinge, an die überall Menschen ihre Geschichten und Erinnerungen zu binden versuchen und zeigt Fotos jener sentimentalen Vitrinen aus armen und reichen Stadtteilen Marseilles, aber auch aus Hamburger Wohnungen.

Kunsthaus, Klosterwall 15, bis 29. November. Die Arbeiten von Sabine Kramer und Susanne Hetzel sind zu sehen im Kunstraum Carmen Oberst, Friedensallee 26 (bis 22. November) und in der Kanzlei Dammann, Cremon 32 (bis 27. November).