„Das Gesundheitsbewußtsein leben“

■ Hamburgs Gesundheitssenatorin Karin Roth (SPD) im Interview über Risiken und Nebenwirkungen einer künftigen rot-grünen Bundesgesundheitspolitik auf die Hansestadt

taz: Frau Roth, Sie versprechen sich von der neuen rot-grünen Bundesgesundheitspolitik positive Zeichen für Hamburg. Wem wird es denn künftig in dieser Stadt gesundheitlich besser gehen?

Karin Roth: Hoffentlich vielen. Für uns in Hamburg ist wichtig, daß wir die Bonner Koalitionsvereinbarung, die ja die Gesundheitsförderung und die Prävention in den Mittelpunkt ihrer Gesundheitspolitik stellt, vor Ort umsetzen. Dazu gehört, daß künftig bestimmte Maßnahmen wieder von den Krankenkassen finanziert werden dürfen, beispielsweise Gesundheitsförderung im Betrieb oder Rehabilitation. Die alte Bundesregierung hatte den Kassen die Gesundheitsförderung gesetzlich untersagt.

Gibt's künftig Massage für alle?

Nein, nein. Es geht nicht darum, alles gleichmäßig für alle zu verteilen. Vielmehr müssen Strategien entwickelt werden, wie, bezogen auf die unterschiedlichen Lebensphasen der Menschen, Hilfe zur Selbsthilfe, Aufklärung und Prävention effektiver als bisher gestaltet werden können.

Nehmen wir mal die Lebensphase Kind. Es gibt Stadtteile, da gehen Kinder morgens ohne Frühstück aus dem Haus und hocken mittags wieder vor einem leeren Teller.

Es ist in der Tat so, daß die soziale Benachteiligung von Menschen auch negative Auswirkungen auf ihre Gesundheit hat. Da müssen wir gegensteuern, nicht nur mit Arbeitsmarktpolitik, sondern auch mit Angeboten in den entsprechenden Stadtteilen, beispielsweise für Mütter, aber auch in Kindergärten und für Jugendliche. Die Menschen müssen ihr Gesundheitsbewußtsein wieder leben. Wenn die Kinder im frühen Alter nicht lernen, gesundheitsbewußt zu leben, werden sie es später nur noch sehr schwer lernen.

Bedeutet das viele neue Sozialarbeiterstellen?

Nein, wir müssen die bestehenden stärker auf die Gesundheitsförderung hin orientieren.

Was hat Sie bisher daran gehindert, diese Strukturen zu verändern?

Das alles kostet Geld, und strittig war bisher, was zahlen die Krankenkassen, was die Ärzte, was der Staat, was bietet die Behörde an. Jetzt aber ist klar: Die Gesundheitsförderung kann wieder von den Krankenkassen geleistet werden.

Im Koalitionsvertrag steht, daß es keine zusätzlichen Mittel gibt.

Vieles läßt sich auch ohne zusätzliches Geld durch Optimierung der Strukturen erreichen. Ich denke da an Arbeitsteilung und Vernetzung von Angeboten.

Viele hoffen, daß es nach dem rot-grünen Durchbruch in Bonn jetzt mit dem Hafenkrankenhaus vorangeht, das ja auch vernetzt und präventiv arbeiten will.

Die Realisierungschancen für ein Gesundheitszentrum in St. Pauli haben nichts mit Bonn zu tun.

Es wird in Hamburg weiterhin Bettenabbau in Krankenhäusern geben?

Die Bettenzahl sagt nichts über die Kapazitätsauslastung eines Krankenhauses aus. Wenn sich die Verweildauer weiterhin drastisch reduziert, sinkt auch die Auslastung der Krankenhäuser. Das kann zu Fusionen oder Bettenabbau führen.

Dieser Konflikt kommt spätestens bei den Beratungen zum Krankenhausplan 2005 auf Sie zu.

Ich glaube gar nicht, daß es einen Konflikt geben muß. Krankenhäuser, Krankenkassen und Behörde müssen sich an einen Tisch setzen und Planungsstrategien entwickeln, um zu einem Konsens zu kommen. Man muß klären, welches Verhältnis es geben kann zwischen ambulanter und stationärer Behandlung.

Was schwebt Ihnen vor?

Es wäre toll, wenn ich das heute schon wüßte. Genau diese Frage wollen wir aber mit den Experten breit diskutieren.

Fragen: Heike Haarhoff