Industriebrachen zu Einkaufszentren

■ Der Boom geht weiter: In Blumenthal ist auf dem Gelände der Bremer Wollkämmerei ein neuer Handelsstandort im Gespräch

Der Einzelhandels-Boom in Bremen greift weiter um sich: Neben dem Space Park, dem Walle-Center und dem Vegesacker Shoppingzentrum „Haven Höövt“ im Bremer Norden ist jetzt auch in Blumenthal eine Handelsfläche im Gespräch. Die Wollkämmerei will Lagerflächen in Blumenthal aufgeben und verhandelt für die rund 20.000 Quadratmeter große Fläche schon mit Interessenten. „Handel und Gewerbe“ sollen sich dort ansiedeln. Die neuen Pläne rufen jetzt die Innenstadt-Kaufleute auf den Plan: „Statt bestehende Zentren zu stärken, werden Kannibalen-Wettbewerbe unter immer neuen Märkten ausgelöst“, kritisiert Harm Hestenberg, Vorstandsvorsitzender der City-Initiative.

Der neue Standort war ins Gespräch gekommen, weil die krisengeschüttelte Wollkämmerei fast zwei Drittel ihrer Lagerflächen gewinnbringend losschlagen will. Man brauche nicht mehr so viel Platz, heißt aus dem Unternehmen. Die freiwerdende Industriebrache könne für Handel und Gewerbe genutzt werden, frohlocken jetzt Ortsamt und Beirat und machen sich für einen neuen Bebauungsplan stark – um das angrenzende umsatzschwache Blumenthaler Geschäftszentrum zu stärken. „Mit neuen Märkten können Kunden angelockt werden und für die bestehenden Geschäfte als Magnet wirken“, freut sich auch der Kaufmann Klaus Grziwa für den Blumenthaler Handels-Zusammenschluß „Blumenthal aktiv“.

Daß im Blumenthaler Gewerbegebiet bereits diverse Bau- und Elektromärkte exisitieren, und nur acht Kilometer weiter in Vegesack das Einkaufszentrum Haven Höövt mit rund 12.000 Quadratmetern Verkaufsfläche, mit Fachmärkten und SB-Warenhaus entstehen soll, stört die Blumenthaler nicht. Das Gewerbegebiet sei weit vom Zentrum entfernt. Außerdem „könnten wir Marktnischen anbieten, die in Haven Höövt zum Beispiel nicht vertreten sind“, sagt dazu Blumen-thals Ortsamtsleiter Erik Petersen.

Die Idee erfährt bereits Zustimmung aus der Politik: Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU) wurde gestern zur Ortsbegehung eingeladen und sagte danach begeistert: über „weitere Geschäfte“ an diesem Standort sei „nachzudenken“. Für das Gelände der Wollkämmerei, das an die ehemalige Vulkan-Werft angrenzt, sollte man außerdem eine „gutachterliche Untersuchung“ auf den Weg bringen.

Auch Stadtentwicklungssenator Bernt Schulte (CDU) sei nicht abgeneigt, bestätigt Sprecher Thomas Wedrich: Schließlich sieht sein Stadtentwicklungskonzept ohnehin weitere Verkaufsflächen im Bremer Norden vor – um bei den Einkaufszentren im Umland, wie in Ritterhude oder Ihlpohl, Kaufkraft abzuziehen.

Doch gerade diese Zielvorgaben, in ganz Bremen flächendeckend die Verkaufsflächen um bis zu 340.000 Quadratmeter zu erhöhen, erregt seit Monaten die Kaufleute aus der Bremer Innenstadt – zuletzt bei der Diskussion um Einzelhandelsflächen im geplanten Space Park in Gröpelingen: Der Space Park werde weniger dem Umland Konkurrenz machen als vielmehr der City, wetterten sie und belegten diese These mit einem Gutachten – um mit diesen Zahlen gegen das bislang vom Wirtschaftsressort hochgehaltene Gutachten der Hamburger Firma Lademann in Opposition zu gehen.

„Man sollte erst die bestehenden Zentren stärken“, meint City-Kaufmann Harm Hestenberg zum schwelenden Glaubenskrieg um die richtige Ansiedlungspolitik, „wo soll die ganze Kaufkraft für die neuen Märkte denn herkommen?“ Darüber machen sich die Bremen-Norder Kaufleute nicht so viel Sorgen: „Im Umland bewegt sich auch viel, da müssen wir gegensteuern“, so Nils Koerber, Vorstandsmitglied im Vegesacker „City Marketing“. Außerdem sei noch gar nicht klar, welches Branchenmix in welcher Größenordnung im benachbarten Blumenthal geplant sei. Solche Fragen, sagt Thomas Wedrich vom Bauressort, seien in der Tat zu klären. Denn die Nähe zum großflächig geplanten Haven Höövt und die Auswirkungen auf die Blu-menthaler Geschäfte dürften natürlich nicht außer Acht gelassen werden. Katja Ubben