Ein Extremismusexperte im Bundeskanzleramt

■ Ernst Uhrlau, einst Verfassungsschutzchef und Polizeipräsident in Hamburg, wird künftig die Geheimdienste im Kanzleramt koordinieren. In der Hansestadt erwarb sich der Sozialdemokrat Respekt

Berlin (taz) – Als Hamburgs glückloser Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) vor wenigen Wochen mit seinem Dienstwagen einen parkenden Jeep rammte und anschließend auch noch Fahrerflucht beging, dachten viele: Jetzt ist es soweit, Polizeipräsident Ernst Uhrlau wird sein Nachfolger. Die Rundfunkjournalisten grübelten schon mit einem Anflug von Verzweiflung, wie um Himmels willen sie die Uhrlauschen Endlossätze in Eineinhalb-Minuten-Beiträge unterbringen sollten.

Doch es kam alles anders. Der Innensenator trat nicht zurück, und Uhrlau geht nach Bonn. Der 51jährige Sozialdemokrat wird Abteilungsleiter zur Koordination der Geheimdienste im Kanzleramt. Er tritt damit zwar inhaltlich die Nachfolge des Staatsministers Bernd Schmidbauer an. Doch der von der abgewählten Koalition installierte Posten des „Geheimdienstkoordinators“ selbst wird abgeschafft; Uhrlau soll beamteter Staatssekretär werden, den Kanzleramtsministern unterstellt.

Der rot-grüne Senat in der Hansestadt wird dem Polizeipräsidenten viele Tränen nachweinen. Denn der uneitle Analytiker ist so unumstrittenen wie kaum ein zweiter in der Hamburger Politik. Mehr noch: Er hat das Kunststück fertiggebracht, die Polizei, die in Streit und Chaos zu versinken drohte, wieder in ruhiges Fahrwasser zu lenken, als er 1996 das Amt übernahm. Sein Vorgänger Aved Semerak, eine Fehlbesetzung des Innensenators, wurde mit Schimpf und Schande aus der Stadt gejagt. Und während die Polizisten Semerak nur Verachtung („Frühstücksdirektor“) entgegenbrachten, ist Uhrlau eine Respektsperson.

Respekt, selbst bei Linken, hatte sich der bedächtige Politologe auch schon vor seiner Berufung zum Polizeipräsidenten erworben. Fünf Jahre lang war er Leiter des Hamburger Verfassungsschutzes. Er gilt als ausgewiesener Experte für Rechtsextremismus. Und wenn Uhrlau mit zurückhaltender Seriosität sagte, die „Republikaner“ gehörten zweifellos zum „rechtsextremistischen Lager“, dann hatte das Gewicht.

Nur mit Mühe ließ sich der Hobbykoch vor zwei Jahren dazu bringen, den Schleudersitz des Polizeipräsidenten zu übernehmen. Zu vieles sprach dagegen: Die Polizei war nach den Skandalberichten von 1994, als Beamten die Mißhandlung von Ausländern vorgeworfen wurde, noch immer unruhig, orientierungslos und voller Selbstmitleid. Die Sparauflagen brachten die Freunde und Helfer zusätzlich in Aufruhr. Uhrlau, der nicht zum erstenmal gefragt wurde, reizte die Aufgabe am Ende aber doch. Für eine Law- and-order-Politik war er allerdings nicht zu haben. Uhrlau gehörte auch zu den ersten Polizeipräsidenten, die sich öffentlich für eine kontrollierte Abgabe von Heroin durch den Staat aussprachen.

Vom Innensenator ließ Uhrlau sich nicht in sein Reich hineinregieren. Gleichzeitig wurde all das, was gründlich schief lief – dazu gehörte vor allem eine gigantisch vemasselte Computerprogramm- Einführung –, nicht Uhrlau, sondern seinem Dienstherrn Wrocklage angelastet. Dessen Rücktritt wurde mindestens ein dutzendmal gefordert. Der des Polizeipräsidenten nie. Denn Uhrlau ist einer, der sich nicht zum Sündenbock eignet. Silke Mertins