Das Glück steht auf Glogowskis Seite

Die SPD-Fraktion wählte Gerhard Glogowski zum neuen niedersächsischen Ministerpräsidenten. Am Tag zuvor hatte sich der Nachfolger von Gerhard Schröder bei einem Autounfall Prellungen zugezogen  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Erst wummerten die Abgeordneten des Niedersächsischen Landtags bei der Verabschiedung Gerhard Schröders lauten Beifall für den neuen Bundeskanzler auf die Bänke, und auch danach lief im Leineschloß in Hannover alles nach Plan: Mit 83 der 154 abgegebenen Stimmen wählte der Landtag gestern Gerhard Glogowski zum neuen niedersächsischen Ministerpräsidenten. Der bisherige Innenminister, der seit 1990 Schröders Stellvertreter war, erhielt damit alle Stimmen, über die die SPD-Mehrheitsfraktion in Hannover verfügt.

Der 55jährige bewegte sich gestern allerdings etwas steifer als sonst durch den Plenarsaal. Immerhin hatte Glogowski, als er Niedersachsen schon am Dienstag bei der Kanzlerwahl in Bonn repräsentieren wollte, bei einem Autounfall erhebliche Prellungen erlitten. Bei Tempo 150 war sein Fahrer mit dem gepanzerten Audi auf der Autobahn ins Schleudern geraten und schließlich die Böschung heruntergefahren.

Große Veränderungen im niedersächsischen Landeskabinett ergeben sich durch den endgültigen Übergang des Ministerpräsidentenamtes von Schröder auf Glogowski nicht. Nach der Niedersachsenwahl im März, seit ohnehin die meisten Kabinettssitzungen in Hannover von Glogowski geleitet wurden, hatten Schröder und sein Stellvertreter die neue Kabinettsliste bereits gemeinsam zusammengestellt. Glogowski hat jetzt anstelle des bisherigen Landwirtschaftsministers Karl-Heinz Funke, den Schröder in sein Bonner Kabinett geholt hat, den Staatssekretär für Landwirtschaft, Uwe Bartels, zum Minister berufen. Nachfolger von Glogowski selbst im Amt des Innenministers wurde gestern der bisherige parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, Heiner Bartling. Zur stellvertretenden Ministerpräsidentin berief Glogowski Heidi Merk, die nach langen Jahren als Justizministerin seit März als niedersächsische Ministerin für Frauen, Arbeit und Soziales fungiert.

An Gerhard Glogowskis erster Regierungserklärung sprang vor allem die Kürze ins Auge, mit dem Schröders bisheriger Mann für Polizei, Sport und Abschiebungen die Innere Sicherheit behandelte. Glogowski versucht derzeit sein neues Image zu wechseln, will nicht mehr der Law-and-order-Mann sein. Seinen neuen Regierungssprecher, den ehemaligen Fernsehchef im NDR-Landesfunkhaus Hannover, Jürgen Koerth, hat Glogowski explizit mit dem Auftrag eingestellt, dem neuen Ministerpräsidenten auch ein neues Image aufzubauen. Während Glogowski gestern bezüglich der Inneren Sicherheit in nur wenigen Sätzen Kontinuität versprach, widmete er sich um so länger einem „Bündnis für Arbeit und Ausbildung in Niedersachsen“ sowie der Mittelstand- und Innovationsförderung, der Modernisierung der Verwaltung und der schlechten Haushaltslage des Landes, die „die Handlungsspielräume in Niedersachsen so eng wie nie zuvor“ mache.

Im Landtagsplenum durfte neben Gerhard Schröder auf Extrasitzen vor den Abgeordnetenreihen sogar die Kanzlergattin Doris Schröder-Köpf Platz nehmen. Die Blumensträuße, die Gerhard Schröder von SPD und Grünen erhielt, nachdem er in einer kurzen Rede pflichtgemäß „Wehmut“ über den Abschied von Niedersachsen geheuchelt hatte, konnten so praktischerweise gleich an die Gattin weitergereicht werden. Nur den Schlips, den ihm der CDU- Fraktionschef Christian Wulff zum Abschied verpaßte, mußte Schröder selbst behalten.

Seine größte Leistung in den letzten acht Jahren als Ministerpräsident sei es gewesen, „eine Bayerin in Niedersachsen heimisch zu machen“, sagte Schröder in seiner Dankesrede. In Niedersachsen will er gelernt haben, daß es „in der Innenpolitik zwar Gegner, aber keine Feinde gibt“. An diesen Grundsatz habe er sich zu halten versucht. Allerdings, gestand Schröder, sei ihm dies „nicht immer gelungen“.