Wider die verwilderten Sitten

■ Ein Hamburger Verein tritt für mehr Ehrlichkeit im Wirtschaftsleben ein und will ein Gütesiegel für Firmen vergeben

„Bis zu 30 Mark Stundenlohn für das Zusammenbauen von Kugelschreibern und Schreibgeräten – Verdienstunterlagen gegen einmalige Zahlung von 60 Mark. Wir suchen im gesamten deutschsprachigen Raum noch zuverlässige Mitarbeiter. Fordern Sie umgehend Ihre Mitarbeiterunterlagen gegen 5 Mark Unkostenbeitrag an.“ Verlockende Angebote wie diese finden sich in vielen Briefkästen und Zeitungen. Doch aus dem versprochenen Verdienst wird meist nichts. Dubiose Geschäftsleute nutzen die Not Arbeitsloser und zocken unbedarfte Zeitgenossen ab.

„Der Werteverfall hat deutlich zugenommen“, kommentierte gestern Rolf Klauer dieses Phänomen. Der Vorsitzende von „Pro Honore“, einem Hamburger „Verein für Treu und Glauben im Wirtschaftsleben“, machte in der Handelskammer auf eine „Verwilderung der Sitten“ aufmerksam.

Sekundiert von Hans-Jörg Schmidt-Trenz, dem Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Hamburg, und dem Marketing- Fachmann Otto Reimer malte er die Lage in düsteren Farben: Der harte Konkurrenzkampf habe dazu geführt, daß sich Unternehmen nicht nur Privatleuten, sondern auch anderen Firmen gegenüber auf unlautere Weise Vorteile zu verschaffen suchten. Das beginne damit, daß Zahlungsfristen nicht eingehalten, Schwarzarbeit genutzt, „robustes“ Wettbewerbsverhalten an den Tag gelegt würden und ende bei handfesten Betrügereien.

Sogenannte Anzeigenhaie zum Beispiel schicken Unternehmen Rechnungen für niemals in Auftrag gegebene Adreßbuch-Eintragungen ins Haus – in der Hoffnung, daß die Firmen ohne weitere Prüfung zahlen. Große Handelsketten nutzen ihre Marktmacht für Knebelverträge mit ihren Lieferanten, alljährlich gehen Milliardenbeträge an Schmiergeld für Aufträge über den Tisch. „Es gibt viel zu wenige Leute, die den Mut haben, solche Mißstände beim Namen zu nennen“, sagte Rechtsanwalt und Pro Honore-Geschäftsführer Otto Dobbeck.

Der Verein bietet sich deshalb als Ansprechpartner für Kaufleute an, die ihr Gewissen plagt und die Nachteile befürchten, wenn sie offen Kritik üben. Er sammelt Daten über dubiose Firmen und Geschäftsleute, die er seinen 187 Mitgliedern – unter ihnen 23 Verbände – zugänglich macht, und verschickt regelmäßig Warnbriefe.

Damit die Sitten wieder besser werden, will „Pro Honore“ künftig stärker in der Öffentlichkeit wirken, etwa dadurch, daß er renommierte Firmen als Vorbilder gewinnt. Außerdem arbeitet der Club an einem Gütesiegel, mit dem ehrliche Unternehmen werben können. Anfang des kommenden Jahres soll es erstmals vergeben werden.

Gernot Knödler