Lange Nase gedreht

■ Die neue Regierung wollte die Deutsche Welle ausmisten. Gar so fix geht das aber nicht

Die neuen Mächtigen tönten laut. Beim Auslandsrundfunk Deutsche Welle (DW) müsse schleunigst eine Bestandsaufnahme gemacht werden, verlangte Michael Naumann, Staatsminister für Kultur. Reformen müßten her, schimpfte Rezzo Schlauch, Fraktionschef bei den Grünen: Es dränge sich der Verdacht auf, die Welle sei eine „Versorgungsanstalt“ für politische Freunde von Intendant Dieter Weirich.

Nun ist schon lange bekannt, daß sich Weirich, früher selbst CDU-Abgeordneter in Bonn, sich seinen Führungsnachwuchs gern am Rande von CDU-Parteitagen aussucht. Jedoch kann er sich vorläufig noch zurücklehnen – und Schlauch und Naumann eine lange Nase drehen: Wesentliche Schlüsselpositionen wurden vor der Bundestagswahl auf Jahre vergeben. So läuft der Vertrag des Konservativen TV-Direktors Wolfgang Krüger noch bis 2003. Auch die Verträge der Hörfunk-Chefredakteurin Hildegard Stausberg und des TV-Chefredakteurs Christoph Land seien „ganz neu“, heißt es aus dem Sender. Und die neuen Aufsichtsgremien, in denen sich Rot- Grün mehr Einfluß erhofft, konstituieren sich frühestens zum Jahreswechsel. Kein Wunder, daß Weirich gestern in Hamburg kämpferisch verkünden konnte: „Die Bundesregierung ist abgewählt, aber nicht die Rundfunkfreiheit.“

Ein Bauernopfer gibt es trotzdem: Gerhardt Schmidt, Studioleiter in Bonn, der es vor der Wahl gar zu toll trieb. Seinen Wahlkampf für ein CDU-Bundestagsmandat führte er teils vom Büro der Welle – und wurde freilich trotzdem nicht gewählt. Wie die taz gestern erfuhr, ist Schmidt nun erst einmal in Urlaub gefahren. Im Organigramm für das neue Programm von DW-TV ab 1999 ist als „kommissarischer“ Leiter des Büros Paul Linnarz aufgeführt. Von Schmidt ist nicht mehr die Rede. Es hieß, über seine Zukunft werde „in Kürze entschieden“. Georg Löwisch