Expo plant erstmals mit Defizit

■ 400 Millionen Mark Miese sind nun fest für die Weltausstellung in Hannover eingeplant. Es werden wohl mehr werden – die erhofften 40 Millionen Besucher sind zu optimistisch geschätzt

Hannover (taz) – Der Aufsichtsrat der hannoverschen Expo GmbH hat am Mittwoch abend nun ganz offiziell Abschied von einer kostendeckenden Weltausstellung im Jahr 2000 genommen. Auch die Vertreter des Bundes und des Landes Niedersachsen in dem Aufsichtsgremium haben in einer fünfeinhalbstündigen Sitzung ihren Segen zu einem neuen Expo-Wirtschaftsplan gegeben, der selbst bei einer kaum erreichbaren Zahl von 40 Millionen Expo- Besuchern noch ein Defizit von 400 Millionen Mark fest vorsieht. Expo-Chefin Birgit Breuel sprach gestern von „einem ganz wichtigen Tag für die Weltausstellung“. Der neue Wirtschaftsplan sei eine Grundlage, „auf der wir vernünftig weiterarbeiten können“, sagte die Expo-Generalkommissarin, die in den vergangenen Wochen Expo- Geldgeber Bund und Land mehrfach vor die Alternative Defizit oder ihren Rücktritt gestellt haben soll.

Sie hat sich durchgesetzt und genau die 400 Millionen Mark für Investitionen in die Expo zusätzlich bekommen, die sie in ihrem neuen Expo-Wirtschaftsplan von Bund und dem Land Niedersachsen gefordert hatte. Nach „sehr engagierter, intensiver Diskussion“ bekam die in Geldangelegenheiten erfahrene ehemalige Treuhand-Chefin am Mittwoch abend vom Expo- Aufsichtsrat das Okay. Der Wirtschaftsplan sieht zunächst einmal eine weitere Erhöhung der Bürgschaften für die Expo von Bund und Land um 800 Millionen Mark vor. Bis zur Eröffnung der Ausstellung im Sommer 2000 darf die Expo-Gesellschaft nun Kredite im Gesamtumfang von 1,77 Milliarden Mark aufnehmen, für die im Zweifelsfall der Staat aufzukommen hat. Noch vor gut einem Jahr wollte die Expo-Gesellschaft sich noch mit Bürgschaften in Höhe von 4,7 Millionen Mark bescheiden.

Erstmals sieht der neue Expo- Wirtschaftsplan nun fest vor, daß zumindest Bürgschaften in Höhe von 400 Millionen Mark nach Abschluß der Weltausstellung nun auch fällig werden. Diesem von Bund und Land je zur Hälfte verbürgten Geld stehen auf dem Papier selbst dann keine Einnahmen mehr gegenüber, wenn tatsächlich das Traumziel der Expo GmbH von 400 Millionen Besuchern erreicht würde.

Eine Hälfte des faktischen Zuschusses von Bund und Niedersachsen darf die Expo GmbH in weitere Investitionen stecken. Mehr Eigenwerbung, eine tägliche Parade auf dem Expo-Gelände, tägliche Nationenfeste, zusätzliche Bühnenprogramme und ein Jugendcamp sollen damit bezahlt werden. Die andere 200-Millionen-Hälfte des faktischen Zuschusses darf Frau Breuel allerdings erst nach gesonderter Zustimmung des Expo-Aufsichtsrates ausgeben. Sie ist als Rückstellung und Planungsreserve vorgesehen, die der Aufsichtsrat auf Antrag der Gesellschaft freigeben kann.

Vorgestellt wurde auf der Expo- Aufsichtsratssitzung am Mittwoch abend auch das Gutachten der Unternehmensberatung Berger und Partner, das von weit geringeren Besucherzahlen – zwischen 28 und 35 Millionen – als die Expo GmbH ausgeht. Das Berger-Gutachten basiere auf „Top-down-Plausibilitäten“, orakelte gestern Aufsichtsratschef Helmut Werner und versicherte anschließend hoffnungsfroh, „daß die Besucherzahl von 40 Millionen erreichbar ist“. Immerhin habe die Weltausstellung in Lissabon 10,5 Millionen Besucher verzeichnen können. Drei von vier Portugiesen hätten sie besucht.

In Hannover würde der Expo- Gesellschaft mit jeder Million Besucher, um die sie ihr 40-Millionen- Ziel verfehlt, ein weiteres Defizit von 40 Millionen Mark entstehen. Bei der pessimistischeren Schätzung der Unternehmensberatung Berger und Partner von 28 Millionen Besuchern würde so ein weiteres Expo-Defizit von 480 Millionen Mark entstehen. Ginge es Hannover wie der vergleichbaren Weltausstellung in Sevilla, wo nur 20 Millionen zahlende Besucher kamen, vergrößerte sich das Defizit gar um weitere 800 Millionen Mark. Jürgen Voges