EU hilft der CSU nicht gegen Rot-Grün

Die Versuche von CSU-Politikern, die von der Regierung geplante doppelte Staatsbürgerschaft durch die EU-Kommission und den Europäischen Gerichtshof überprüfen zu lassen, sind völlig aussichtslos  ■ Von Christian Rath

Freiburg (taz) – EU-Recht steht den rot-grünen Plänen zur Reform des Staatsbürgerschaftsrecht nicht entgegen. Die CSU wird sich mit ihrer Forderung nach einer Überprüfung durch EU- Kommission und Europäischen Gerichtshof wohl nur ein blaues Auge holen.

Aufgebracht hat die Diskussion der CSU-Europaabgeordnete Ingo Friedrich. In einem Brief an Jacques Santer, den Präsidenten der EU-Kommission, forderte Friedrich, die EU-Behörde solle ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleiten. Friedrich, der auch Vorsitzender der CSU-Europagruppe ist, sieht durch die Pläne der neuen Bundesregierung den Maastrichter Vertrag verletzt. Sein Argument: Bis zu vier Millionen bisherige Ausländer könnten durch die geplante Reform „deutsche Staatsbürger und damit gleichzeitig EU-Bürger“ werden. Damit werde den Neubürgern auch Freizügigkeit im ganzen EU-Gebiet gewährt.

Soweit hat Friedrich den Vertrag durchaus richtig gelesen. Die Frage ist nur: Spricht irgend etwas dagegen? Und hier tut sich der CSU-Politiker schwer. Die rot- grünen Reformpläne verstießen gegen „Treu und Glauben“, heißt es in seinem Schreiben. Bei der Verabschiedung des Maastrichter Vertrags im Jahr 1992 „konnten die Vertragsparteien davon ausgehen, daß die restriktive Handhabung der Staatsbürgerschaft (in Deutschland, C.R.) Grundlage des zukünftigen Handelns bleiben werde“. Damit räumt Friedrich ein, daß die rot-grünen Pläne jedenfalls nicht gegen die Buchstaben des Maastrichter Vertrags verstoßen. Allenfalls wären juristisch schwer greifbare „Grundlagen“ des Vertrags betroffen. Allerdings war schon 1992 klar, daß alle deutschen Parlamentsparteien außer der Union eine Reform des Staatsbürgerschaftsrechts wünschen. Außerdem holt Deutschland nur nach, was in den meisten EU-Staaten längst Standard ist.

Doch darauf kommt es überhaupt nicht an. Denn das Staatsangehörigkeitsrecht ist auch nach dem Maastrichter Vertrag eindeutig Sache der Nationalstaaten geblieben. In einer Protokollerklärung haben die Regierungschefs dies damals sogar ausdrücklich bekräftigt. Es war dabei gerade das Interesse der souveränitätsbeflissenen Staaten wie Großbritannien und Dänemark, daß es hier keinerlei Einmischung der EU geben dürfe. Insofern ist es fast schon belustigend, wenn nun die sonst so Brüssel-skeptische CSU bei der EU-Kommission um Hilfe gegen Pläne des deutschen Bundestags nachsucht.

Ob sich die von Friedrich vorgegebene Linie überhaupt in der CSU durchsetzt, muß abgewartet werden. Am Mittwoch sprach Noch-Parteichef Theo Waigel nur davon, man wolle eine Klage zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) „prüfen“. Dies klingt schon vorsichtiger, liegt allerdings juristisch auch daneben. Denn die CSU hat beim EuGH kein eigenes Klagerecht. Sie kann nur darauf hoffen, daß die Kommission oder ein anderer Mitgliedsstaat gegen die Bundesrepublik vorgeht.

In der CDU scheint man die CSU-Strategie bisher auch mit großer Zurückhaltung zu beobachten. Ein Sprecher sagte gestern: „Der juristische Weg ist höchstens das letzte Mittel. Bis jetzt liegt ja noch nicht einmal ein Gesetzentwurf vor.“ Kommentar Seite 12