Streit um die Einheit der Kirche

Seit mehreren Jahrzehnten mühen sich evangelische und katholische Kirchenfunktionäre um die Wiederherstellung der Ökumene, also einer einigen Kirche der Christenheit. Gespalten sind diese Teile der christlichen Kirche – der in Osteuropa dominierende orthodoxe Flügel ist seit Anfang dieses Jahrtausends autonom – seit dem 31. Oktober 1517. Damals schlug der Theologe Martin Luther 95 Thesen an die Tür der Schloßkirche zu Wittenberg, in denen er den Frieden mit dem herrschenden Glauben aufkündigte.

Dieser Tag wird heute als Reformationstag begangen; in Brandenburg ist er ein gesetzlicher Feiertag, in den anderen Bundesländern der früheren DDR ist er es in überwiegend protestantischen Gebieten.

Luthers Kritik galt vornehmlich dem korrupten und inquisitorischen Klerus, der sich von den Gläubigen Geld zahlen ließ („Ablaßhandel“), um ihnen die Gnade Gottes zu verschaffen. Luther begründete seinen fundamentalen Angriff mit dem theologischen Argument, daß es für einen Menschen keiner irdischen Rechtfertigung bedürfe, um von Gott angenommen zu werden, dem Allmächtigen es also gleich ist, ob der Gläubige nun gezahlt hat oder nicht. Dieses unterschiedliche Gnadenverständnis, also der Streit um die Rechtfertigungslehre, markiert immer noch die Grenze zwischen den beiden größten Glaubensrichtungen im Christentum. Die meisten Kriege im Europa – auch der Dreißigjährige von 1618 bis 1648 – der frühen Neuzeit wurden im Namen der richtigen Glaubensrichtung geführt.

Über den Glauben hinaus stand Martin Luther für einen ideologischen Aufbruch, der die zentrale Rolle des Klerus in allen gesellschaftlichen Bereichen in Frage stellte. Der Kampf der katholischen Kirche gegen den Verlust ihres Einflusses dauert an. Erfolgreich ist sie darin – wie auch die evangelische Richtung – in der Bundesrepublik. Während in Frankreich oder Schweden Kirche und Staat seit langem getrennt sind, verfügen beide Kirchen in Deutschland über großen Einfluß. Besonders indes die Katholiken, beispielsweise beim Streit um das Kruzifix in Schulräumen, in der Frage der Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebensformen oder in der §-218-Debatte um das Selbstbestimmungsrecht der Frau.

Im Jahre 2002 soll in der Bundesrepublik ein ökumenischer Kirchentag gefeiert werden. Offen ist, in welcher Form. Denn Katholiken lehnen Abendmahlsgemeinschaften mit Protestanten ab, im Grunde wie eh und je überzeugt, daß evangelisch Gläubige Abtrünnige sind. JaF

Literatur: Manfred Heim – Kleines Lexikon der Kirchengeschichte, C.H. Beck Verlag, München 1998, 39,80 Mark