Einseitiger Erfahrungsaustausch

■ Senioren wollen ihre Lebenserfahrungen weitergeben, aber junge Leute sind wenig zu begeistern

Heute lachen sie darüber. Die altersfleckigen Hände im Schoß, den Gehstock am Stuhl gelehnt, verfolgen etwa 30 zumeist ergraute Männer und Frauen ein Theaterstück. Das Bühnenbild: Eine Parkbank. Die Hauptdarsteller: Eine alte Frau und ein flippiges junges Mädchen. Das Handlung: Generationskonflikte. „Haste mal 'ne Zigarette für mich, Schwester?“, fragt die junge Frau respektlos und rutscht unruhig auf der Parkbank hin und her. Applaus.

Das „Theater der Erfahrungen“ hat dieses kurze Stück für den Verbund „Erfahrungswissen älterer Menschen“ inszeniert. Etwa 14 Vereine gehören diesem Verbund an und stellten jetzt im Kreuzberger Nachbarschaftsheim Urbanstraße ihre Arbeit vor. Die Akteure sind Senioren, die ihr Wissen an jüngere Menschen weitergeben und auf Probleme des Altwerdens aufmerksam machen wollen.

Einer von ihnen ist René Birkholz, 61 Jahre alt und leidenschaftlicher Theaterspieler. Mit seiner Gruppe hat auch er einen Dialog zwischen einer älteren Frau und einem jungen Menschen dargestellt. „Es hat etwas Märchenhaftes“, sagt der Rentner über das Stück. Es sei für ältere Menschen schwierig, mit Jüngeren in Kontakt zu kommen. „Die machen lieber etwas anderes, als mit uns Alten Theater zu spielen“, sagt er. Dafür habe er Verständnis. Auch an diesem Tag dominiert ergrautes Haar optisch die Veranstaltung.

Für Karl Ernst Reuter steckt hinter den Projekten mehr, als der Versuch, Generationsbarrieren zu überwinden. „Wir wollen alten Menschen das Gefühl vermitteln, nützlich zu sein.“ Reuter kümmert sich um die Schreibwerkstatt, in der die Teilnehmer unter anderem Kindheitserinnerungen zu Papier bringen. In regelmäßigen Abständen veranstalten sie Lesungen der eigenen Beiträge. Dabei sollen sich die betagten Menschen näher kommen. „Mit dem Ruhestand brechen nämlich viele Kontakte ab“, sagt Reuter. Die Arbeit des Verbundes diene somit dem „sozialen Wohlbefinden“.

Klaus Schwerk fühlt sich wohl in seiner 69 Jahre alten Haut. In seiner Freizeit führt der Mann mit grauem Rauschebart und großer Brille Touristen durch den Kreuzberger Kiez und schmückt seine Ausführungen mit Erlebnisberichten. Das kommt bei den jungen Teilnehmern gut an. Aber der Erfahrungsaustausch sei einseitig. „Sie reden unter sich, aber selten mit Älteren“, beklagt er. „Vielleicht befürchten sie, daß wir ihnen mit der Moralkeule auf den Kopf hauen, wenn sie von Techno oder Rauschmitteln erzählen“, sagt Schwenk. „Ich hoffe, wir können diese Situation verbessern. Wir müssen ihnen einfach besser zuhören.“ Mike Szymanski

Projektverbund „Erfahrungswissen älterer Menschen e.V.“, Cranachstraße 7, 12157 Berlin. Telefon: 855 42 06.