Nachwuchsnachschub fürs Scherz-TV

Comedy-Shows sind ein gutes Geschäft: Sie bringen den Fernsehsendern Quote und kosten nicht viel. Damit das Lachen der Zuschauer nicht abreißt, haben Programmstrategen in Köln die erste Comedy-Schule gegründet  ■ Von Kerstin Meier

Wenn die Leute Hans-Jupp sehen, lachen sie. Ein hochgradig korrekter Typ: putzt, kocht und hat mit 33 statt Frauen seines Alters nur seine Mutter im Kopf. Ein Fall für den Psychologen? Ein Fall für Comedy, meint Jungkabarettist Christoph Sieber, der Hans' Figur für sein Bühnenprogramm erschaffen hat. Um Hans-Jupp und sich einen Karrierekick zu verpassen, drückt der 27jährige als einer der ersten Schüler die Bank der neuen „Köln Comedy Schule“.

Ab Anfang nächsten Jahres wird Sieber ein Jahr lang von prominenten Witzfiguren zum Lacherfolg geführt, einen Workshop hat er schon absolviert. Mit Hugo Egon Balder und Rudi Carrell sind zwei Heiterkeitsheroen von RTL unter den Dozenten. Das ist kein Zufall: Der ebenfalls in Köln beheimatete Sender ist Hauptsponsor der Schule.

Hinter dem Engagement steckt unternehmerisches Kalkül. Comedy-Formate sind billig zu produzieren und ziehen Zuschauer. Diese Erkenntnis, die in den USA und in Großbritannien längst die Lachkultur auf dem Bildschirm etabliert hat, setzt sich nun auch in den Köpfen deutscher Programmstrategen fest. Anders als in Ländern mit breitgefächerter Comedy- Szene, mangelt es den deutschen Fernsehproduzenten aber an erfahrenem Nachwuchs. Zudem nutzt sich die Orginalität dieser Formate schnell ab, wenn sich die immer gleichen Leute durch das immer gleiche Konzept scherzen. So ist mit dem Team von „RTL Samstag Nacht“ Schluß mit lustig, nachdem die Quoten langsam, aber sicher absackten.

Da stehen die Sterne am Showhimmel günstig für die Nachwuchskomiker. So günstig, daß junge Komiker oft ohne Erfahrungen in die Sendungen reinrutschen, wie Ralf Günther, der die Sat.1- „Wochenshow“ produziert, berichtet: „Die werden dann ziemlich schnell verheizt.“

Um Strohfeuerkarrieren zu verhindern, wurden für die Comedy- Schule 16 Talente ausgewählt, die entweder auf einem bestehenden Bühnenprogramm aufbauen können oder zum Beispiel schon eine Tanz- oder Pantomimeschule besucht haben.

Comedy zu lernen ist eine ernste Angelegenheit. Stundenlanges Körpertraining und Wahrnehmungsübungen gehören zur Ausbildung. Showtalent und ein karierter Neonschlips allein machen keinen Michael Mittermeier oder Rüdiger Hoffmann aus. „90 Prozent sind Handwerk, der Rest ist Talent und Ausstrahlung“, sagt Comedy-Schüler Sieber. „Optimierung der Figur“ und „Arbeit an der Rolle“ lauten die ersten Schwerpunkte. „Ich möchte, daß die Figuren der Teilnehmer klarer, konkreter, sicherer werden“, beschreibt Dozentin Daniela El Aidi das Klassenziel. Sie tritt selbst als Comedian auf und ermuntert die Schüler zu improvisieren, statt auswendig gelernte Gags aufzusagen.

Dazu müssen Jungkomiker allerdings genau wissen, welche Charakterzüge Gunther, Herr Schnepel, Frau Schmidt oder Hans-Jupp tragen. Christoph Sieber hält die Biographie seines Alter ego allzeit bereit: „Hans-Jupp ist sehr naiv. Er wollte eigentlich Fußballer werden, kommt aber nicht von Muttern los. Die schrägen 70er-Jahre- Klamotten trägt er von seinem toten Vater auf.“ Lustig oder vielmehr lächerlich wird es jedoch erst, wenn Brüche in die Figur kommen, beispielsweise, wenn das Muttersöhnchen Hans sich trotz allem verliebt.

Jeglichen autobiographischen Bezug zu diesem tragikomischen Charakter weist Siebert weit von sich. Im Gegensatz zu Hans-Jupp ist er keinesfalls naiv: Er weiß, daß und wie er sich verkaufen muß. Taucht ein Fotograf auf, schneidet er eifrig Grimassen. „Es bringt nichts, auf irgendeiner Provinzbühne vor sich hin zu werkeln“, sagt der Geschäftstüchtige. „Es geht in der Szene darum, von den richtigen Leuten zum richtigen Zeitpunkt gesehen zu werden. Schließlich will man das Produkt, was man hat, verkaufen.“

Der wird den Schülern diese Produkte dankbar abnehmen. Als „Comedy-Praktikanten“ bei „7 Tage – 7 Köpfe“ und „RTL Samstag Nacht“ haben sie die Chance, sich einen Namen zu machen – RTL bekommt dafür Nachwuchsnachschub ins Haus geliefert. „Als Geldgeber hat RTL natürlich ein besonders waches Auge auf die Absolventen“, sagt Schulleiter Winni Gahlen.

Obwohl die meisten Lehrkräfte und das meiste Geld von RTL kommen, plant die Schule eine Kooperation mit ZDF- Unterhaltungschef Axel Beyer, WDR-Moderator Jürgen von der Lippe und Harald Schmidt von Sat.1. Für die Schule fließen auch Fördermittel des Landes Nordrhein-Westafalen. Im ersten Schuljahr will das Land 40 Prozent des Etats bezahlen. Im Gegenzug können die staatlichen Spender „exzellente Perspektiven für den Fernsehproduktionsstandort Nordrhein-Westfalen“ bejubeln.

Die Spaßsymbiose von RTL und der neuen Comedy-Schmiede scheint aufzugehen. Die Schule profitiert von den RTL-Kontakten, kann sich an den PR-Apparat des Senders hängen und wird gesponsert. Dafür tummelt sich dank der „Köln Comedy Schule“ gut ausgebildeter Nachwuchs direkt am Produktionsstandort des Senders. Zudem kann RTL durch sein Engagement für die jungen Komiker sein Image als Comedy-Sender aufpolieren. Dieser Ruf ist im Fernsehgeschäft inzwischen heiß umkämpft. Immer mehr Sender wollen das größte Stück vom Comedy-Kuchen und ziehen mit neuen Formaten nach.

Dabei nehme das Fernsehen viel von der Vielseitigkeit der Figuren weg, „wenn man versucht, sie in das Korsett des Sendekonzepts zu zwängen“, sagt Dozentin Daniela El Aidi. Ob das deutsche Fernsehen noch passende Formate findet und wie in den USA das Comedy-Medium wird, ist da noch offen. Ein gutes Geschäft ist es schon jetzt.