Tanz den Arno Breker

■ Joachim Witts Teutonen-Folklore provozierte kontroverse Reaktionen: Boykott auf MTV und Erfolg in den Charts. Mit der Band Weissglut droht der neue Nazi-Trash nun ernst zu werden

MTV war der Film zu heiß: „Unbehagen“ habe man empfunden, deswegen nahm der Musiksender den Videoclip zu Joachim Witts pathetischer Endzeithymne „Die Flut“ aus dem Programm. Seitdem ist der Hitsong, immerhin bis auf Platz 7 der deutschen Single-Charts vorgestoßen, nicht mehr auf MTV zu sehen, während er im Konkurrenzsender Viva auf Hochtouren läuft.

Im umstrittenen Flut-Video tritt Joachim Witt als düsterer Anführer auf, der sich mit seinen Mannen den Weg durch panische Menschenmassen auf ein in letzter Minute ablegendes Schiff freikämpft. „Die Selektion der Arche-Mitreisenden wurde in ihrer Darstellung als nicht sichtbar kritisch empfunden“, begründete MTV in einer Presserklärung vorsichtig den eigenen Boykottbeschluß. Man wolle dem Musiker zwar keine radikalen Tendenzen unterstellen. Aber zu sehr weckten dort die Szenen Assoziationen an SS-Sturmtruppen und Nazi-Ideologie: Sozialdarwinismus als Äquivalent zur Sintflut.

Von solchem Geist distanziert sich Joachim Witt zwar gebetsmühlenhaft in jedem seiner Interviews, und Rechtsradikale bezeichnet der bekennende PDS- Wähler, etwa in einem Gespräch mit der taz-ruhr, gerne als „arme Verwirrte“, mit denen er nichts zu tun haben möchte. Andererseits will Witt seine alberne Teutonen- Folklore aus Stahlgewitter-Klängen, Wagner-Anspielungen und penetrant rollendem R durchaus als ironiefreies Bekenntnis zu seiner „deutschen Mentalität“ verstanden wissen.

Ein Botho Strauß der Popmusik? Fest steht: Witts Metaphorik ruft so kontroverse Reaktionen hervor wie vor ihm schon Rammstein, an die sich der einstige „Goldene Reiter“ der Neuen Deutschen Welle ästhetisch angelehnt hat. Rammstein selbst, die bösen Buben vom Dienst, illustrierten ihr aktuelles Stück „Stripped“ provokationsgerecht mit Ausschnitten aus Leni Riefenstahls Olympia- Propagandastreifen von 1936. Mehr Arno Breker als Adolf Hitler – aber durch koketten Flirt mit den dunklen Facetten der deutschen Vergangenheit lassen sich eben immer schöne Aufmerksamkeitserfolge erzielen. Gerade auch im Ausland: In den USA sind Rammstein die derzeit bekannteste Band aus Deutschland.

Den unerwarteten Erfolg seiner „Flut“ erklärt sich Joachim Witt ganz neutral: Wichtig bei einem guten Song sei eben, daß er „Gänsehaut verursache“. „Gänsehaut“ soll auch das neue Album „Etwas kommt in die Welt“ der Band Weissglut garantieren, schrieb die Metal-Zeitschrift Hammer. Doch auch in der Antifa-Szene stehen manchen die Haare zu Berge, denn Weissglut-Frontmann Josef Klumb werden enge Kontakte zur rechten Szene nachgesagt. Einst sang Klumb in der Formation Forthcoming Fire und fiel durch wirre Verschwörungstheorien und Fascho-Verbindungen auf. Die Jungle World befand daher, Klumb besetze eine wichtige Schnittstelle „zwischen organisiertem Rechtsextremismus und der Subkultur“.

Auch wenn die Band in einer Presseerklärung verlauten ließ, sie hege „nicht die allergeringsten Sympathien für die rechte Szene“ – Klumb selbst setzt sich gegen unliebsame Kritiker am liebsten mit diffusen Drohbriefen zur Wehr, die ein anderes Denken vermuten lassen. Pikant ist, daß Weissglut wie Witt bei der Plattenfirma Sony unter Vertrag stehen und diese beide sogar gemeinsam auf Tour schicken wollte. Doch Witt lehnte ab, wenngleich angeblich nicht aus politischen Gründen. Interessant dürfte vor diesem Hintergrund sein, wie sich der Verkauf der Weissglut-Single „Unschuldsengel“ entwickelt. Ein Video der Band soll aber erst im Frühjahr herauskommen. Daniel Bax