Kampf den Schlupflöchern

Heute beginnt der vierte Klimagipfel in Buenos Aires. Umweltschützer fürchten eine Aufweichung des Klimaschutzprotokolls von Kioto  ■ Aus Buenos Aires Ingo Malcher

Wochenlang wurde das Messegelände von Buenos Aires gestrichen, Kabel wurden verlegt, Trennwände eingebaut, und dennoch zweifelte so manch einer, ob bis zur Eröffnung heute alles fertig wird. Die Stadt nimmt kaum Kenntnis davon, daß die Welt zu Gast ist. Damit die Einwohner überhaupt etwas mitbekommen, ließ der Bürgermeister Willkommensplakate für die Gäste aus aller Welt kleben. Bis zum 13. November, wenn dann alles wieder vorbei ist, werden wohl alle wissen, was „COP 4“ bedeutet, nämlich die vierte Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention.

In den kommenden zwei Wochen sollen die Detailfragen geklärt werden, die im vergangenen Jahr bei der Verabschiedung des Klimaschutzprotokolls von Kioto in Japan offenblieben. Große Durchbrüche werden nicht erwartet auf dieser Konferenz, die auch der erste internationale Auftritt für den neuen deutschen Umweltminister Jürgen Trittin sein wird. Vor allem die USA stehen sperrig im Wege. Inzwischen rechnet selbst US-Präsident Bill Clinton nicht mehr damit, daß der klimaschutzfeindliche Kongreß innerhalb von Clintons Amtsperiode das Kioto-Protokoll noch ratifizieren wird, egal was seine Unterhändler in Buenos Aires herausholen werden. Umweltschützer fürchten vor allem ein Aufweichen des in Kioto Erreichten durch neue Schlupflöcher.

Allein das Klima dieses Jahres könnte Fortschritte ein wenig fördern: Schon jetzt ist sicher, daß das Jahr 1998 das wärmste Jahr seit Beginn der meteorologischen Aufzeichnungen sein wird. Die Folgen: Flutkatastrophen, Dürren und Ernteausfälle. Vorgeschmack auf das, was kommen könnte, wenn sich das Klima dauerhaft aufheizt.

In Kioto einigten sich 160 Staaten auf erste Schritte zur Reduzierung der Treibhausgase. Nach dem Kioto-Protokoll müssen die Industrieländer ihre Emissionen bis zum Jahr 2010 im Schnitt um 5,2 Prozent gesenkt haben, bezogen auf das Jahr 1990. Erstmals wurden rechtlich verbindliche Verpflichtungen für die Reduzierung der Treibhausgase vereinbart.

Das Kioto-Protokoll tritt aber erst in Kraft, wenn der Großteil der beteiligten Staaten, in der Regel deren Parlamente, es ratifizieren. Bislang haben das nur die Fidschiinseln getan. Die Eile verwundert nicht: Ein weiteres Ansteigen des Meeresspiegels könnte den Untergang der Inseln bedeuten. Allerdings haben mindestens 57 Regierungen das Protokoll immerhin schon unterschrieben.

Während die EU sich verpflichtet hat, um 8 Prozent zu reduzieren, wollen die osteuropäischen Staaten ihre Emissionen um 6 Prozent herunterfahren, die USA um 7 und Japan um 6 Prozent. Kritiker aus den Reihen von Umweltverbänden halten diese Minderungsziele für zu niedrig angesetzt: Um künftige Klimaschäden zu vermeiden, sei mindestens eine Halbierung der Treibhausgase nötig. Doch über neue Minderungsziele wird in Buenos Aires offiziell nicht geredet werden, allein über einen Aktionsplan, wie das Kioto-Protokoll im Detail umzusetzen ist. Die Knackpunkte dabei sind die sogenannten flexiblen Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgase. Die drei flexiblen Mechanismen sind der Emissonshandel, die gemeinsame Umsetzung und die „Clean Development Mechanisms“ (siehe Kasten). Wenn diese Maßnahmen nur großzügig genug formuliert werden, könnten sich die Industrieländer von ihren Pflichten schlicht freikaufen.

Da die Entwicklungsländer nicht zu den Hauptverschmutzern der Atmosphäre gehören, müssen sie sich laut Kioto-Protokoll auch nicht verpflichten, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Die Entwicklungsländer mehr in die Pflicht zu nehmen ist bislang eine der Hauptbedingungen der USA für die Ratifizierung des Kioto- Protokolls. Bislang wehrten sich die Entwicklungsländer hartnäckig und verwiesen auf ihren Industrialisierungsrückstand; doch inzwischen deutet sich etwas Bewegung an.