■ Tor für Deutschland
: Warum tötet Winfried Schäfer eine große Liebe zum VfB Stuttgart?

Es waren einmal zwei Brüder, die liebten einen Bundesliga- Verein. Der Eine hieß M. und mußte siebenjährig am ersten Spieltag der Saison 1973/74 feststellen, daß seine Zuneigung vom einen zum anderen Tag verschwunden war. Längere Erkundungen förderten den Grund zutage: Der Profi Dieter Schwemmle war verkauft worden. Wegen des klassischen Rechtsaußen hatte M. an Weihnachten noch die 7 auf sein Nationalmannschaftstrikot flocken lassen. In der festen Annahme, Schön werde es den trickreichen Schwemmle spätestens bei der WM auch überstreifen lassen.

Es waren einmal zwei Brüder. Der andere verstand den einen nicht und nahm sich vor, ewig zu lieben. Doch als er gerade mal 40 oder so geworden war, mußte er nach längerem Ringen mitten in der Saison 1998/99 feststellen, daß auch seine Liebe kalt war. Warum nur?

Eigentlich wußte er den Grund: Er konnte den Klub nicht mehr lieben, weil Winfried Schäfer ihn trainierte. Wochenlang ignorierte er den Befund. Er dachte an die große Krise der Saison 1971/72. Der Trainer hieß Branco Zebec – und den hatte er auch nicht gemocht. Trotzdem war er geblieben. Er war weinend mit Sing (während der Bruder nicht gezuckt hatte) abgestiegen, hatte Istvan Sztani ausgesessen, später Buchmann, Baric und sogar Egon Coordes.

Warum lag die Sache mit Schäfer anders? Weil der vom KSC kam und jahrelang über Spätzle gehöhnt hatte? Die mochte er ja selbst nicht. Weil er immer bloß aufgeregt „Feuer“ schrie, wenn es eigentlich um moderne Spielsysteme und eine differenzierte Philosophie vom Fußball ging? Weil er mit Bild kungelte? Taten andere auch.

Was war mit unsympathischen Spielern? Poschner, Spanring, Thomas Schneider? Immer hatte er über problematische Fälle hinweggesehen, als gäbe es sie nicht, ob sie nun Sammer, Strunz, Schröder, Bernd Förster, Dieter Müller, Volkert, Reichert, Nushöhr oder Jank hießen.

Vom Präsidenten gar nicht zu reden. Im Gegenteil: Ihm zum Trotz hatte er in 23 Jahren seine Liebe bewahrt und war stolz gewesen. Nun: War dies erst die große Prüfung? Die nur die wirklich Erwählten bestehen konnten? Mayer-Vorfelders VfB zu lieben – wenn ihn auch noch Schäfer trainierte? Nach einem Spiel zwang er sich vor dem Neckarstadion vor Schäfers Mercedes niederzuknien und die Buchstaben MV auf dem Nummernschild zu küssen.

Es half nicht.

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Fünf nicht leicht zu ertragende VfB-Spieler: 1. Egon Coordes (71–75), 2. Thomas Berthold, 3. Hanjo Weller (74–76), 4. Thomas Strunz (92–95), 5. Bertram Beierlorzer (86–88)

Fünf die VfB-Anhängerschaft erleichternde Persönlichkeiten: 1. Karl Allgöwer, 2. Guido Buchwald, 3. Joachim Löw, 4. Jürgen Klinsmann, 5. Horst Köppel

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Es waren einmal zwei Brüder. Der eine ist ziemlich verzweifelt angesichts seiner toten Liebe. Der andere kann das nicht nachvollziehen. „Man muß da heute flexibler sein“, sagt er gerne. M. kann ohne Gewissensbisse für, sagen wir, MVV Maastricht sein, nur weil es ihn zufällig in die Gegend verschlagen hat. Wenn dort morgen Schäfer Trainer werde, wechsele er eben – hier macht er eine bedeutungsschwangere Pause – zu Eintracht Frankfurt. N. wird bei dem Gedanken nur noch verzweifelter.

M. hat N. einen Winterschlaf empfohlen. Im Frühjahr, sagte er, werde alles nur ein böser, böser Traum gewesen sein. N. freilich kann überhaupt nicht mehr schlafen. Ob er heute abend das Uefa-Cup-Spiel beim FC Brügge am Fernseher anschauen kann, weiß er nicht. Wenn er Schäfer in einem Kleidungsstück mit VfB- Emblem sieht, kriegt er neuerdings einen Schreikrampf. Unlängst traf er sich während einer mittleren Pettingaktion beim Sinnieren über Fenerbahce Istanbul an. Seitdem grübelt er: Ist das das Ende – oder ein neuer Anfang?