Die Republikaner hoffen auf den Lewinsky-Faktor

■ Ob Clintons Sexaffäre die Wahlen mit entscheiden wird, bleibt unklar: Die meisten Bürger verzeihen zwar ihrem Präsidenten, doch zur Wahl gehen nur politisch engagierte Amerikaner

Glaubt man den letzten Werbespots der Republikaner, geht es heute darum, ob Bill Clinton für seine sexuellen Eskapaden auch noch belohnt werden soll oder nicht. Als vor zwei Jahren Clinton erneut zum Präsidenten gewählt wurde, galt dies auch als ein Plebiszit gegen Newt Gingrich, den neuen Star der Republikaner. Die Republikaner würden nun gerne die diesjährige Wahl wieder zum Clinton-Referendum machen und schielen auf den Lewinsky-Faktor. Soviel Aufsehen der Skandal um den Präsidenten auch erregt hat, es sieht dennoch nicht danach aus, als würde er die Wahlen entscheidend beeinflussen.

Befragungen haben ergeben, daß die Wähler mit ihren Politikern im großen und ganzen zufrieden sind. Das gilt für Volksvertreter und den Präsidenten gleichermaßen. Die große Unzufriedenheit, die noch 1994 herrschte, ist kleinen Unzufriedenheiten gewichen. Die Debatte um eine große Krankenkassenreform wurde vom Ärger über die Behandlung von Patienten unter dem bestehenden System abgelöst. Es geht nicht mehr um den großen Wurf, sondern um Flicken am schlechten System. Die im internationalen Vergleich ungenügende Bildung der Amerikaner schürt die Jahrzehnte alte Diskussion über eine Umgestaltung des Schulwesens, und die Bedrohung der Rente durch die bevorstehende Pensionierung der Babyboom-Jahrgänge provoziert heftige Debatten über die Privatisierung des Rentensystems. Und ewig locken die Republikaner mit weiteren Steuersenkungen.

Keines dieser Themen ist geeignet, eine amorphe Wählerschaft in einem vielgestaltigen Riesenland wie Amerika insgesamt zu elektrisieren. Bleiben Moral und Werte. Umfragen haben ergeben, daß Wähler – so sie keine dringenden Geldsorgen drücken – im Urnengang in erster Linie eine Möglichkeit sehen, den Kodex ihrer Werte zu bestätigen. Und da könnte der Lewinsky-Faktor doch noch eine Rolle spielen.

Zwar genießt Bill Clinton trotz des Skandals nach wie vor die Unterstützung von zwei Dritteln der Befragten. Die Zahl derer, die mit ihrem Kongreßabgeordneten zufrieden ist, liegt allerdings nur geringfügig darunter. Zugleich ergeben Umfragen, daß zwei Drittel der US-Amerikaner der Meinung sind, daß Clinton nicht die Werte vertritt, nach denen sie ihr Leben führen möchten. Letztlich aber gibt dieses Stimmungsbarometer, so widersprüchlich seine Ergebnisse sind, nicht unbedingt die Meinung derer wieder, die auch zur Wahl gehen. Und das sind meist nur die engeren Anhänger der Parteien. Während die Mehrheit der Amerikaner ihrem Präsidenten gewissermaßen zu vergeben gewillt ist – Clinton ist ein Schwerenöter, aber dem Land geht es gut, also soll's seine Privatangelegenheit sein –, ist die Minderheit derer, die auch wählen gehen, in sich viel stärker polarisiert – in Clinton- Hasser und Clinton-Fans, in stramme Demokraten und ideologisierte Republikaner. Der Wahlkampf drehte sich letztlich um die Mobilisierung dieser Basis. Peter Tautfest, Washington