Die „Zwischenwahl“

■ Geht es nach der Tradition, müßten heute die Demokraten die Wahlen verlieren

Gewählt wird in Amerika in allen geraden Jahren. In Schaltjahren steht die Entscheidung über den Präsidenten an. Alle zwei Jahre werden – so wie heute – sämtliche 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses und ein Drittel der 100 Senatoren gewählt. Letztere haben eine Amtszeit von sechs Jahren. In diesem Jahr stehen außerdem 36 Gouverneure zur Wahl an.

Der Urnengang zwei Jahre nach den Präsidentenwahlen gilt als „Zwischenwahl“. Sie werden einerseits als Zwischenzeugnis für die Regierungsarbeit verstanden, andererseits sind sie Wahlen eigener Ordnung, die mit der Bewertung des Weißen Hauses nichts zu tun haben. Gewählt wird nach dem Mehrheitswahlrecht.

Eine dramatische Machtverschiebung im Kongreß wird nicht erwartet. Für 94 Kandidaten des Repräsentantenhauses gibt es keinen Gegenkandidaten, und nur zehn Prozent haben einen Gegner mit Aussicht auf Erfolg. Traditionell verliert bei den „Zwischenwahlen“ die Partei, die das Weiße Haus besetzt, Sitze in beiden Häusern des Kongresses – durchschnittlich sind es 31. Sollten die Einbußen der Demokraten heute geringer ausfallen, werden sie das als einen großen Erfolg verbuchen.

Im Repräsentantenhaus haben die Republikaner derzeit eine Mehrheit von elf Stimmen. Es gilt als unwahrscheinlich, daß die Demokraten diese Mehrheit knacken können, ausgeschlossen wird es aber nicht. Im Senat verfügen die Republikaner über eine Mehrheit von fünf Stimmen, doch das ist nur von begrenztem Wert. Denn Gesetzesvorlagen werden dort zwar mit einfacher Mehrheit verabschiedet. Damit es aber überhaupt zur Abstimmung kommen kann, muß ein Antrag auf Schluß der Debatte mit 60 Stimmen Mehrheit angenommen werden. Ob die Republikaner eine solche qualifizierte Mehrheit erringen, wird bezweifelt. Traditionell ist die Wahlbeteiligung zwischen den Schaltjahren niedriger als sie in Amerika ohnehin ist – bei den letzten „Zwischenwahlen“ betrug sie nur 40 Prozent.

Besonders spannende Gefechte werden um folgende Sitze erwartet:

– In Kalifornien sieht alles nach einem Sieg des Demokrat Gray Davis über seinen Gegner Dan Lungren aus, womit nach 16 Jahren wieder ein Demokrat Amerikas bevölkerungsreichsten Staat regieren würde.

– Im traditionell demokratischen Maryland entscheiden die Wähler zwischen dem Demokraten Parris Glendening und der Republikanerin Ellen Sauerbrey und damit zwischen einem sozial und ökologisch verträglichem oder einem ungehemmten Wachstum.

– In Texas gilt die Wiederwahl George Bushs, des Sohnes des ehemaligen Präsidenten, als sicher. Auch sein Bruder John Ellis hat Aussichten auf einen Gouverneursposten – in Florida. George Bush gilt als möglicher Präsidentschaftskandidat für das Jahr 2000.

– In New York liefern sich Alfonse D'Amato und Charles Schumer den teuersten Wahlkampf dieser Saison (siehe links)

– In Wisconsin wollte der demokratische Senator Feingold mit gutem Beispiel vorangehen und ohne das große Geld auskommen. Es sieht danach aus, als würde er gegen den republikanischen Herausforderer Neumann verlieren.

– In Kalifornien und Illinois ist die Wiederwahl der demokratischen Senatorinnen Barbara Boxer und Carol Moseley-Braun, die 1996 im Jahr der Frauen gewannen, gefährdet.

– Wie bei jeder Wahl stehen auch Volksabstimmungen an. In Washington entscheiden die Wähler, ob sie wie in Kalifornien dem Staat jede Form aktiver Gleichstellungspolitik untersagen wollen, die auf eine Bevorzugung von Frauen oder Minderheiten hinausliefe. Und in insgesamt sechs Bundesstaaten wird über die Legalisierung von Marihuana zu medizinischen Zwecken abgestimmt. Peter Tautfest, Washington