Angst vor einer neuen Kneipe

■ Das Internet Café in der Weberstraße kratzt an Ostertorschen Grundsätzen

Im Ostertor schwelt ein Nachbarschaftsstreit – und wie so oft geht es um die Frage, wieviel nächtliches Viertel-Leben den Anwohnern zuzumuten ist. Diesmal geht es um die Weberstraße, ein beschauliches Buckelpflaster-Gäßchen quer zum Ostertorsteinweg. Dort hat vor vier Wochen in den ehemaligen Räumen des Fahrradladens Speiche ein Internet Café aufgemacht.

Einige Anwohner wittern nun Unrat. Ihre Straße, wo bereits das legendäre Wienerhofcafé seine Gäste bewirtet, vertrage keine zweite Kneipe. Zwar gibt es noch außer einem ratternden Rolladengitter keine Beschwerden wegen grölender Computerfreaks, aber die Nachbarn wollen unbedingt den Anfängen wehren. Zunächst sei nur von einem Internet-Schulungsraum gesprochen worden, berichtet Nachbar Götz Burda. Jetzt haben die Betreiber eine recht weitreichende Gastronomie-Konzession. „Ein Unding, sowas in einer reinen Wohnstraße zuzulassen“.

Nun mußte sich der Beirat Mitte mit dem Konflikt beschäftigen. Und die Kommunalpolitiker fanden ein salomonisches Urteil. Den Café-Betreibern vom Verein brainlift wird eine einjährige Probephase eingeräumt. Alle drei Monate wird Bericht erstattet: Dabei soll das Stadtamt prüfen, ob weiterhin das Surfen im Internet und das Fachsimpeln am Tresen Hauptzweck des Lokals ist oder ob durch die Hintertür der Konzessionsstop für neue Kneipen im Ostertor ausgehebelt wird.

Das Lift-Café hat nur eine Konzession für eine Vereinsgastronomie. Diese war auch nur über eine Sonderregelung im Bebauungsplan möglich: In Bereichen mit sozialer und kultureller Nutzung sind neue Gaststätten weiterhin möglich im Viertel – so wurden das Lagerhaus-Café und das Theatro genehmigt, ein Internet-Café im ehemaligen Kaufhaus-Ostertor neben dem Penny-Markt jedoch nicht.

Eigentlich finden die Kommunalpolitiker das Projekt brainlift gut. Der Verein, der sich die offene Auseinandersetzung mit neuen Informationstechnologien zum Ziel gesetzt hat, bringe Medien-Kompetenz ins Viertel, sagt Ortsamtsleiter Robert Bücking. Für zehn Mark im Jahr kann jeder Vereinsmitglied werden und dann umsonst an einem der zwölf Café-Rechner im Netz surfen, der Laden ist gut besucht. „Das Café hat für uns eine Schaufensterfunktion“, sagt brainlift-Geschäftsführer Frank Schreier und versichert, daß die billige Surf-Möglichkeit innerhalb des Vereins als Zuschußbereich konzipiert sei. Geld verdient brainlift mit Kursen und Bildungsurlauben – unter anderem für die Bremer Volkshochschule – und Dienstleistungen rund ums Internet. Man sei nicht auf Geld aus dem Verkauf von Bier oder Kaffee angewiesen, aber das Café sei wesentlicher Bestandteil des Gesamtprojekts.

Eben dieser Subventionsbedarf macht Kritiker mißtrauisch: brainlift habe die in der Gastronomie üblichen Lieferanten- und Ausstattungsverträge mit Getränkegroßhändlern abgeschlossen und stehe unter Druck, Geld zu erwirtschaften. Frank Schreier versichert, das Café werde „auf keinen Fall eine Location für den Start ins Nightlife“. Als Selbstbeschränkung hat er den Nachbarn zugesagt, wochentags trotz Erlaubnis bis zwei schon um Mitternacht zu schließen.

Der stellvertretende Beiratssprecher Leander Mondré (SPD) versteht die ganze Aufregung der Nachbarn nicht: „Vernünftige Leute haben wahnsinnig viel Angst, daß irgendwann mal was passieren könnte“. Joachim Fahrun