Automann will Straßengebühr erheben

■ Verkehrssenator Klemann (CDU) sucht für die 84 Millionen Mark teure Umfahrung der Köpenicker Altstadt private Investoren. Die Nutzer müßten dann für zwei Kilometer eine Gebühr bezahlen. Grüne kritisiere

Autofahrer haben in Berlin ein gutes Leben mit breiten Straßen und vielen kostenlosen Parkplätzen. Wenn es nach Verkehrssenator Jürgen Klemann (CDU) geht, soll es jetzt zum ersten Mal eine Straße mit Maut-Gebühr geben: die Umfahrung von Köpenick. Für ihn wäre das das kleinere Übel: Angesichts der leeren Landeskassen könnte er ohne private Investoren und Maut die neue Straße gar nicht bauen.

84 Millionen Mark veranschlagt die Verkehrsverwaltung für die zwei Kilometer lange, vierspurige Strecke. Der Abschnitt ist so teuer, weil er zwei Brücken umfaßt: über die Oberspree und die S-Bahn. CDU und SPD sind sich einig, daß der Verkehr nicht weiterhin durch die historische Altstadt des Bezirks rauschen soll.

Um den Bau zu finanzieren, will Klemann private Investoren gewinnen. In einem „Interessenbekundungsverfahren“ hat die Verkehrsverwaltung zunächst geprüft, ob es überhaupt Investoren für dieses in Deutschland bislang einmalige Modell gibt. Acht Firmen hätten sich gemeldet, sagte Klemann. Noch im November soll nach dem Willen des Verkehrssenators der Senat über ein Konzept entscheiden. Anschließend wird das Projekt EU-weit ausgeschrieben.

Derzeit prüft die Verkehrsverwaltung Varianten des Modells. Wichtig sei die Höhe der Maut, sagte Klemanns Sprecherin Petra Reetz: „Sie darf die Attraktivität der schnelleren Strecke nicht kaputt machen.“ Klemann ist der Ansicht, daß die Maut auf keinen Fall teurer als ein BVG-Ticket sein darf. Er ist aber überzeugt, daß Autofahrer bereit sind, zu zahlen, wenn sie dadurch Zeit sparen. Der Verkehrssenator will daher nicht die Köpenicker Altstadt für den Durchgangsverkehr sperren. Mit 20.000 Fahrzeugen täglich wird auf der Strecke gerechnet.

Offen ist die Frage, ob und wann das Land die Straße wieder übernimmt. Für den verkehrspolitischen Sprecher der Bündnisgrünen, Michael Cramer, liegt hier der Knackpunkt. Es sei üblich, daß das Land solche Objekte nach 30 Jahren wieder übernehme. „Hier entsteht ein Schattenhaushalt“, kritisierte er. Zudem sei die Umfahrung Bestandteil einer geplanten Nord-Süd-Verbindung von Grünau nach Biesdorf, die die Grünen ablehnten. Denn sie verliefe parallel zum äußeren Autobahnring um Berlin und ziehe den Verkehr in die Stadt.

Auch Christian Gaebler von der SPD hält die Privatfinanzierung für problematisch. Da es Aufgabe des Landes sei, für eine vernünftige Umfahrung zu sorgen, solle diese Straße in der öffentlichen Hand bleiben. Außerdem habe die SPD gefordert, die Nordbrücke in der Wasserstadt Oberhavel zugunsten von Köpenick zurückzustellen. Das habe die Verkehrsverwaltung stets abgelehnt. Nachdem der Rechnungshof jetzt den Baustopp der Nordbrücke forderte, zeige sich wieder einmal, daß „Klemann nicht in der Lage ist, Prioritäten zu setzen“.

Klemann scheint an seinem Modell Geschmack zu finden: Auch die Verlängerung der A 100 bis zum Ostkreuz kann er sich als Mautstrecke vorstellen. Jutta Wagemann