■ Bei Ministers zu Haus (13) – Die Heime unserer neuen Regierung
: Flupp, flupp, flupp, die Stufen hinab

Die neuen Minister sind in Amt und Würden und Bonn. Doch wie sieht es bei ihnen zu Hause aus? Beispielsweise beim Bauminister Franz Müntefering:

„Wissen Sie, das habe ich noch niemandem verraten, aber die besten Ideen kommen mir immer hier drin. Geht ja den meisten Leuten so“, sagt Franz Müntefering, 58, und grinst linkisch – was ihn noch etwas chinesenhafter aussehen läßt. Der frischgekürte Bundesbauminister mit den Schlitzaugen muß ob der Dachschräge im ersten Obergeschoß seines Sundener Domizils den Rücken krümmen – zu zweit würden wir sonst kaum in die kleine Gästetoilette seines Reiheneckhauses passen. „Zum Beispiel das mit der Kampa. Ist doch eine geniale Abkürzung, oder?“ Ich nicke.

Mein Blick schweift durch den offenbar in Heimarbeit rot gekachelten Sanitärraum: eindeutig ein Arbeitszimmer. Auf einem verchromten Mülleimer steht ein kleines Fernsehgerät (Saba) in Reichweite, an der Wand ist – etwas ungeschickt, denn wo der Nagel sitzt, ist die Kachel geborsten – ein Terminkalender angebracht. An einer Paketschnur hängt ein gelber Plastikkuli von der Decke. Neben der Toilette hat sich eine Menge Papier angesammelt. Während ich neugierig einen zerknüllten Zettel aufhebe, schlenzt Müntefering mit dem rechten Fuß einen fleischfarbenen Gegenstand unter die Heizung – ich soll wohl doch nicht alles so genau sehen. „Das System Kohl ist am Ende“, hat er auf ein kariertes Blatt gekrizelt, daneben zweimal unterstrichen: „Der Wechsel wird dringlich“. Dokumente eines erfolgreichen Wahlkampfes. „Können Sie sich mitnehmen. Kommen Sie, ich zeig' Ihnen noch was!“

Müntefering drängt mich aus dem Raum, noch bevor ich einen Blick unter die Heizung werfen konnte. Wir bewegen uns in Richtung Keller. Erst jetzt fällt mir auf, daß Franz Müntefering gar keine Schuhe trägt: In Strumpfsocken schlittert er jugendlich-beschwingt die hölzernen Stufen hinab, flupp, flupp, flupp – er ist schnell, schneller als ich, kennt sich natürlich auch besser aus.

Unten angekommen, schlüpft der Minister behende durch eine Türe und schließt sie vor meiner Nase. „Moh-meh-hent! Muß nur noch etwas Ordnung machen!“ flötet die gedämpfte Stimme des SPD-Strategen. Es rumpelt. Was macht der da drinnen bloß? Draußen auf dem Gang stapeln sich Wahlgeschenke, einige noch ungeöffnet und mit Grußkarte.

Ich kann der Versuchung nicht widerstehen und öffne einen Umschlag: „Super, Franz, weiter so! Echt ganz große Spitze!“, gratuliert hier ein Bürger aus Sindelfingen. Ein anderer, aus Mappen, hat ungelenk einen Fisch gekrakelt und „Müntefering – Superhering“ daruntergeschrieben. Naja. Dem Umriß zufolge befindet sich im zugehörigen, liebevoll mit SPD-Aufklebern verzierten Paket eine Weinflasche. Hastig stecke ich Wein und Karten zurück – da öffnet sich auch schon die Türe, und ein sichtlich angestrengter Hausherr erscheint. „Voila – meine Hausbar. Meine beiden Töchter feiern hier unten öfter mal Parties und räumen dann nicht richtig auf. Machen Sie sich nichts draus.“

Müntefering hat sich inzwischen hinter den Tresen begeben und weist freundlich auf einen mit braunem Kunstleder überzogenen Barhocker. Im Hintergrund läuft Tina Turner: „Simply the best“. Er schiebt mir einen eigenhändig gemixten, im bunten Diskolicht schillernden Cocktail herüber: „Vertrauen Sie mir. Ich habe da etwas ganz Neues geschaffen.“ Gar nicht so übel. „Werfen Sie doch einmal einen Blick auf meine Ehrenwimpelsammlung“, sagt der SPD-Barkeeper. Als ich mich umdrehe, erhasche ich gerade noch eine ruckartige Bewegung des Ministers. Blitzschnell hat er einen Gegenstand vom Tresen verschwinden lassen. „Rosa“, denke ich, aber es ist so ein Gefühl. Jetzt grinst er wieder, als sei nichts geschehen. Dabei steht ihm der Schweiß auf der Stirn. Mir reicht es langsam. „Ich müßte mir mal kurz die Hände waschen“, entschuldige ich mich, schleiche lautlos die Treppe hinauf, hinein in die Arbeitstoilette. Türe zu.

Unter der Heizung ist es staubig, trotzdem kann ich etwas ertasten. Was zum Teufel...? „Was tun Sie da?“ In der Tür steht Franz Müntefering, zornig und zu voller Größe aufgerichtet.

Der Besuchstermin ist beendet. Stefan Kuzmany